Wochenend-Weiterrbildung zum Green-IT-Berater

Die Berliner Weiterbildungseinrichtung C&Q Haberhauffe bietet in diesem Frühsommer eine an vier Wochenenden (Freitag spätnachmittags bis Samstag abends) eine 56stündige Weiterbildung zum Green-IT-Berater an. Angesprochen sind alle Menschen, die als AdministratorIn, IT-BeraterIn, CIO oder in anderen Funktionen tiefer in das Thema einarbeiten möchten sowie im Einzelfall (nach Vorbesprechung) auch andere TeilnehmerInnen. Das Ganze kostet rund 2500 Euro und kann durch Bildungsprämien/Bildungsschecks bezuschusst werden. Der Kurs behandelt sowohl den energie- und materialeffizienten einsatz von IT als auch „grüne“ Effekte, die sich durch IT-Einsatz erreichen lassen.

Modulare Rechner: Die einen streiten drüber, die anderen machen es

Während in Deutschland und Europa teure Forschungsprojekte aufgesetzt werden, um zu beweisen, dass einfache Rechner wie PCs oder Laptops auch modular aufgebaut werden können, ohne dass diees ökonomisch unbedingt schädlich für die Hersteller sein muss, ist man in China schon weiter. Dort hat nämlich der Startup Focuswill, wie die Computerwoche in ihrer Ausgabe 15/13 und auch online einen Rechner vor, der sich komplett (bis auf den Bildschirm) in einer tastatur versteckt. Der Clou: Hauptplatine, Prozessor, Speicher und anderes Innenleben des Android-PCs, der sogar Mikro und Lautsprecher, USB-Ports, VGA-, HDMI- und Ethernet-Schnittstelle hat, sind mühelos austauschbar und können aufgerüstet werden. Die Grundvariante soll 89 Dollar kosten. mal sehen, wie das Ding einschlägt. Es ist ja kaum vorstellbar, dass menschen in ärmeren Weltregionen bereit sind, alle zwei bis drei jahre mehrere hundert bis tausend Dollar, Euro oder was auch immer für immer dasselbe (mit kleinen Abweichungen) auszugeben.

Wann macht IT Prozesse nachhaltig?

Anlässlich der ITC4S-Konferenz in Zürich im Februar hielt Daniel Spreng, ETH Zürich, einen interessanten Vortrag über den Zusammenhang zwischen Energie, Zeit und Information, dessen Inhalt letztlich einen Erklärungsansatz liefert, warum der IT-Einsatz bisher eher keine Nachhaltigkeitseffekte gebracht hat. Sprengs Idee, die er ausdrücklich nicht als ausgereifte Theorie verstanden wissen möchte, sondern als eine Anregung zum Nachdenken in eine andere Richtung in Kurzform: Nutzt man IT, um Energie zu sparen, wird häufig mehr vom selben gemacht, was dann im Endeffekt wieder zu Gleich- oder Mehrverbrauch (sogenannter Rebound) führt. Nutzt man IT zur Zeitersparnis, wird damit rationalisiert – es fallen Arbeitkräfte weg, aber grüner wird der Produktionsvorgang dadurch nicht unbedingt. Nur der IT-Einsatz, um Prozesse intelligenter zu machen, ohne vorrangig auf Mehrproduktion, oder reine Zeitersparnis zu schielen, könne letztlich die „grünen“ Versprechen der IT einlösen. Darüber sprach nachhaltige IT am Telefon mit Daniel Spreng.

nachhaltige it: Herr Spreng, Ihre Idee ist bestechend: Man muss Prozesse nur intelligenter machen, dann werden sie nachhaltiger. Allerdings habe ich in Ihrem Vortragsskript keine Beispiele dafür gefunden, und bisher wurden die Nachhaltigkeitseffekte der IT meist durch Rebound-Effekte wieder aufgefressen. Gibt es Beispiele für das, was Sie meinen?

Spreng: Natürlich. Ich kenne sie besonders gut aus der Textilindustrie, habe sie aber in dem Skript nicht extra aufgeführt. Man kann zum Beispiel Textilmaschinen so fahren, dass ein extrem strapazierfähiger Faden entsteht, den man schon sehr beanspruchen muss, damit er reißt. Oder man kann die Textilfarben hundertprozentig exakt dosieren. Ein Beispiel sind Unterhosen: Derartige Produkte einiger Schweizer Marken sind teilweise sehr teuer, weil aus erstklassigem Material und erstklassig verarbeitet. Dafür hat man dann aber auch lange Freude an ihnen. Energieersparnis hat übrigens viel mit Nachhaltigkeit zu tun, wenn die Ersparnis auf der Ebene der Volkswirtschaft stattfindet. Energieersparnis auf technischer Ebene hat aber oft wenig mit Nachhaltigkeit zu tun. Es wird oft dann, wenn auch effizient, viel mehr produziert.

nachhaltige it: In der aktuellen Grünen-Studie zur Obsoleszenz (nachhaltige IT berichtete ausführlich) wurden allerdings jämmerlich kurze Fäden in Textilien als Beispiel für willkürliche Verschleißproduktion aufgeführt.

Spreng: Ressourcen- und energieintensive Produktion lohnt sich wegen falscher Anreize. So lange es billiger ist, Rohstoffe zu verschwenden als Produkte intelligent und langlebig zu produzieren, wird IT immer zuerst dafür eingesetzt werden, lediglich Zeit oder Energie am einzelnen Produkt zu sparen, statt intelligente Prozesse für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen.

nachhaltige it: Wie könnten denn richtige Anreize aussehen?

Spreng: Die Ideen dazu gibt es schon lange: Man müsste einfach statt Arbeit, also Lohnsteuer, den Ressourcenverbrauch besteuern in Form einer Ressourcensteuer, die desto höher ist, je mehr an Rohstoffen und Energie in jedem Produkt steckt. Dann würden sich Reparaturen plötzlich ganz anders lohnen, der gesamte Markt würde sich verwandeln. Und die Mehrheit der Leute hätte,weil die Lohnsteuer ja wegfällt, mehr Geld in der Tasche, um die teureren Produkte auch zu kaufen.

nachhaltige it: Das hat dann aber mit IT nichts mehr zu tun, sondern ist letztlich Wirtschafts- und Steuerpolitik. Ist so eine Politik denn durchsetzbar?

Spreng: Da muss das Klima wohl noch etwas mehr verrückt spielen, aber deswegen ist die Aussage ja nicht falsch. In der Schweiz, wo wir über viele politische Fragen als Bürger abstimmen, gab es vor einigen Jahren einmal den Vorschlag, die Lohnsteuer durch eine Ressourcensteuer zu ersetzen. Diese Abstimmung fand zwar statt, weil dafür genügend Leute den Vorschlag unterstützten, doch bei der eigentlichen Volksabstimmung haben vergleichsweise wenige Menschen zugestimmt, ich erinnere mich an eine Rate um die dreißig Prozent.

nachhaltige it: Es gibt ja auch die These, die etwa Tim Jackson und Niko Paech vertreten, dass man ein ganz neues, weniger an Massenproduktion von Industriegütern orientiertes Wirtschaftssystem braucht, um die Nachhaltigkeitsfrage zu lösen – ganz unabhängig vom IT-Einsatz. Denn wenn weniger Güter produziert würden, weil sie länger halten und reparabel sind, werde es auch weniger Erwerbsarbeit geben, weshalb insgesamt weniger Geld da wäre und aus diesem Grund wieder mehr selbst gemacht oder im Wege der Nachbarschaftshilfe erledigt werden müsste, zum Beispiel Teile der sogenannten häuslichen Dienstleistungen.

Spreng: Daran glaube ich nicht. Ich glaube, wenn man die Wirtschaft stärker auf Ressourcenschonung ausrichten würde, würde trotzdem genügend Wertschöpfung, beispielsweise im Bereich der Reparaturdienste, entstehen, um genügend Beschäftigung zu schaffen. Die Werte, mit denen die oben genannten Leute ihre Ideen unterfüttern, sind allesamt im heutigen Paradigma der ressourcenintensiven Massenproduktion gewonnen und wären unter einem neuen Paradigma so gar nicht mehr anwendbar, deshalb halte ich die Schlussfolgerungen dieser Skeptiker nicht für zwingend.

nachhaltige it: Hängt die mangelnde Nachhaltigkeit nicht auch damit zusammen, dass Geld, zum Beispiel in Form von Managementgehältern oder Shareholder Value, so ziemlich der einzige Maßstab war, an dem sich wirtschaftliches Handeln in den letzten drei Jahrzehnten ausgerichtet hat?

Spreng: Das ist schon richtig. Geld und Macht. Man braucht auch mehr Orientierung am Gemeinsinn, um die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen. Das ändert aber nichts an meiner Vorstellung, dass sich dies auch im Rahmen einer Marktwirtschaft realisieren lässt, wenn man die richtigen Anreize setzt. Neue Anreize müssen aber schon sein.

nachhaltige it: Herr Spreng, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Geplante Obsoleszenz – Was genau steht eigentlich in der Studie? 100 spannende Seiten, die es in sich haben.

Nachdem der Erscheinungstermin der großen Grünen-Studie zur Obsoleszenz genau in meine Ferien fiel, hatte ich ja nun viel Zeit, die Berichterstattung dazu zu lesen. Mir ist aufgefallen, dass zwar die wichtigsten inhaltlichen Höhepunkte dargestellt wurden, dass aber – journalistisch durchaus korrekt – niemand so ganz tief in die Inhalte eingestiegen ist, und dass vor allem die politischen Anregungen nur selten referiert wurden. Das will ich nun hier nachholen.

Die drei Autoren gliedern ihre Studie in fünf Module: In Modul A finden sich Informationen zur Entstehung geplanter Obsoleszenz mit der zu diesem Thema verfügbaren Standardliteratur. Es wird klar, dass diese Methode nicht etwa naturwüchsig entstanden ist, sondern gezielt zur Gewinnerhöhung „erfunden“ wurde, nämlich vom automobilen Pleitegeier General Motors, der sich damit in der Zwischenkriegszeit gegen Ford durchsetzte. Zu den Fällen einer absichtlich eingebauten Sollbruchstelle, eines eingebauten Verfallsdatums oder Ähnlichem kommen die Fälle, in denen hektisches, rein kostengetriebenes Design mit dem Ziel ständig neue, und sei es auch äußerst unvollkommene Produkte auf den markt bringen, ordentliches, auf Langlebigkeit orientiertes Design verdrängt. Leidtragende des Ganzen sind in der Regel die Konsumenten, obwohl inzwsichen auch die Industrie, die mehr und mehr auf Standardbauelemente setzt, Probleme mit schlampig oder kurzlebig gebauten Chips bekommt.

Modul B, sozusagen der praktische Teil, bringt in Bild und Beschreibung Beispiele aus der Realität in unseren Produkten. Die gibt es überreichlich, angefangen bei zu schlappen Bauelementen, schlampig angesetzten Übertragungsdrähten, fest eingebauten Akkus, billigem Plastik, wo Metall dringend angebracht wäre (Waschmaschinen!), Verklebung von Einzelteilen, so dass sie sich nicht ausbauen lassen etc. Ein Blick in das Horrorkabinett schlechten Industriedesigns lohnt sich wirklich, schon um sich zu fragen, wie, außer aus reiner Profitgier, man auf solchen Unsinn kommen kann, zumal in einer Zeit, da die Ressourcen der Erde spürbar weniger werden. Oder würde jemand von Ihnen auf den Gedanken kommen, einen Pullover aus absichtlich verkürzten Fäden zusammenzurstricken, damit er nachher um so schneller wieder reißt? Dazu kommen noch weitere Methoden: falsche Reparaturangaben, Feuchtigkeitsssensoren in Handys, um Reparaturpflichten auszuhebeln, teure Standard-Kostenvoranschläge, ohne dass das System überhaupt angesehen wurde etc. sowie organisatorische Hemmnisse gegen Reparatur und Weiternutzung, indem zum Beispiel Spezialwerkzeug gebraucht wird oder nur Spezialpersonen Reparaturen durchführen dürfen.

In Modul C wird nach den Wirkungen der Obsoleszenz gefragt. Dabei zeigt sich, dass zumindest die Idee, Obsoleszenz nütze weiten Kreisen, an den Haaren herbeigezogen ist. Denn Arbeitsplätze, meist ein wichtiges Argument der stillschweigenden Schnellverbrauchs-Befürworter, entstehen deswegen zumindest hier überhaupt nicht, da die kapptgehenden Komponenten heute in der Regel in Fernost gebaut werden, aber viele Arbeitsplätze in Reparaturbereichen wegfallen. Ein persönliches Beispiel: Neulich versuchte ich, unseren Staubsauger reparieren zu lassen. Der einzige Betrieb, der das bisher immer machte (in der Millionenstadt München!), hatte gerade seinen letzten Techniker entlassen. „Staubsauger bringt keiner mehr, die werden immer gleich neu gekauft“, sagte die Mitarbeiterin ziemlich traurig. Was der Techniker jetzt macht, sagte sie nicht.
Die Studie kommt jedenfalls je nach der Menge der Konsumgüter, die Obsoleszenzprozessen unterliegen, zu dem Schluss, dass durch diese Prozesse allein in Deutschland zwischen 65 und 137 Milliarden Euro konsumptives Kapital durch nur wegen Obsoleszenz nötige Anschaffungen in die Taschen der Hersteller, die die Schrottgüter produzieren, fließt. Jedes Jahr fallen wegen Obsoleszenz zwischen 6,2 und 13,1 Millionen Tonnen Müll an. Drei bis sechs Müllverbrennungsanlagen werden nur wegen Obsoleszenz betrieben. Gäbe es keine Obsoleszenz, brauchte man außerdem zwischen 11 und 22 1-GWatt-Kraftwerke weniger.

Schließlich kommt das Handlungsprogramm, das Tips für Einzelpersonen, Zivilgessellschaft, Arbeitnehmer, Wirtschaft und Unternehmen, NGOs und Politik umfasst. Grundsätzlich regt die Studie an, sich an neue Trends weg von der Wegwerfgesellschaft (Entschleunigung, Wiederverwertung, Eigenreparatur, Wiederverkauf, kollektive Nutzung etc) zu orientieren, die ohnehin vorhanden sind. Außerdem sei es nötig, die Debatte vollkommen neu zu justieren. Wegwerfen und neu kaufen muss seinen hippes Image wieder verlieren – schließlich ist diese Einstellung erst knapp fünf Dekaden alt. Die einzelnen Tips und Anregungen hier aufzuführen, wäre zu viel, ein Blick in die lange Liste lohnt aber auf jeden Fall.

Modul E, wo es um politische Ansätze auf europäischer Ebene geht, ist das eigentlich spannendste, aber gleichzeitig wurde darüber am wenigsten geschrieben. Hier geht es darum, was heute unter Ausschöpfung der Möglichkeiten der Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EC), der Energieverbrauchskennzeichnungs-Richtlinie (2010/30/EU) und der Elektro- und Elektronik-Aktgeräte-Richtlinie (2002/96/EU) eigentlich schon möglich wäre, aber nicht getan wird. Die besten Ansätze bietet nach Meinung der Studie die Ökodesign-Richtlinie. Auch sie hat Lücken, beispielsweise beim produktorientierten Ressourcenschutz. Allerdings sieht die Studie den Hauptgrund dafür, dass die Studie bisher wenig Durchschlagskraft im Bereich Obsoleszenz entfaltet hat, daran, dass mögliche daran anknüpfende Regelungen einfach nicht gemacht wurden. Sehr interesssant ist auf auf Seite 92 ein Vorschlag für ein neues, allgemeines Produktlabel, das neben dem Energieverbrauch auch ökologischen Rucksack, vorgesehene Lebensdauer, Recyclingfreundlichkeit und Ökotoxizität angibt und so vergleichbar macht. Ich bin sehr gespannt, ob ich ein solches Label noch während meiner Lebensdauer an Produkten sehen werde. Was fest eingebaute Akkus angeht, setzt die Studie auf eine strengere Auslegung des ja bereits existierenden Elektrogerätegesetzes (ElektroG). Der Gesetzeswortlaut gäbe diese nämlich durchaus her.

Insgesamt lohnt es sich, diese Studie im Original zu lesen, denn wasn ich hier geschreiben habe, ist selbstverständlich nur eine sehr kurze Zusammenfassung. Das Papier ist der erste Versuch, auf politischer Ebene endlich etwas gegen die Obsoleszenz-Seuche zu tun, die nur wenigen Herstellern nutzt, aber vielen Menschen weltweit, unter anderem all denen, die früher ihr Geld mit Reparaturen verdienten, schadet – und den zukünftigen Generationen sowieso.