Überwachung und wie Gesetze und wir selbst uns davor schützen könnten – Rezensionen

Weil Ökologie auch immer „Ökologie des Geistes“ ist, und Überwachung eine Art „kommunikatiove Umweltverschmutzung“, befasst sich nachhaltige IT auch mit diesem Thema. Nachdem das Aufkommen des NSA-Skandals nun ein Jahr zurückliegt, entwickelt die Diskussion um Datenschutz und Datensicherheit immer mehr Dynamik, zumal sich zeigt, dass die deutsche Justiz – motiviert von wem auch immer – davor zurückschreckt, gegen den NSA und seine Hintermänner aktiv zu werden: Gerade heute ließ der Generalbundesanwalt mitteilen, es werde keine Ermittlungen und kein Verfahren wegen der Abhöraktivitäten gegen Frau Merkels Handy und auch gegen das millionenfache Abgreifen von E-Mails und Telefonaten deutscher Bürger geben, dies habe keine Aussicht auf Erfolg. Armseliger kann ein Armutszeugnis der Justiz wohl kaum ausfallen.
Da müssen wohl, wie schon manchmal in der Geschichte, Journalisten die Rolle des Wachhundes übernehmen und tun dies auch. Gleich zwei Bücher sind gerade erschienen bzw. im Erscheinen begriffen, die sich explizit mit dem heiklen Thema befassen.
Das eine stammt von Glenn Greenwald, dem journalistischen Helfer Edward Snowdens („Die globale Überwachung – Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“). Es besteht eigentlich aus drei Büchern: Einem Thriller, einem Sachbuch über den Geheimdienst NSA und seine durch Dokumente offenbarten Denkweisen, Praxen und Ziele und einem politischen Essay über den Sinn und Zweck der Privatsphäre und wie sie zu verteidigen ist.
Der Thriller handelt davon, wie Greenwald mit Snowden zusammenkam, wie man es schaffte, an Politik, Polizei und Geheimdiensten vorbei die Snowden-Dokumente geheim- und zusammenzuhalten, zu durchforsten und am Ende in einem professionell vorstrukturierten Prozess schrittweise zu veröfentlichen – immer mit der Idee im Auge, dadurch die größtmögliche Glaubwürdigkeit und Öffentlichkeitswirkung zu erzielen, ohne Einzelpersonen zu schaden, etwa, indem man Agenten namentlich enttarnt und damit zum Abschuss freigibt.
Der zweite Teil, der neben den bereits bekannten auch neue NSA-Dokumente bringt, erschreckt in der Plattheit, in der hier der NSA und der britische GCHQ ihre Allmachtsphantasien offenbaren. Ihr Ziel ist ganz schlicht, alle Kommunikationsvorgänge weltweit zu ermitteln, zu speichern, zu analysieren, interessierten Partnern zugänglich zu machen und damit der Privatheit irgendwelcher elektronisch vermittelten Kommunikation ein Ende zu bereiten. Oder, wie es auf einer der Original-NSA-Folien heißt: „Sniff it all – Know it alll – Collect it All – Process it All – Exploit it all – Partner it All“. Und über die politische Haltung heißt es auf einer anderen Folie mit kaum noch zu überbietender platter Klarheit: “Oh yeah… Nimm Geld, nationale Interessen und das Ego zusammen, das ist die Gestaltung der Welt in großem Maßstab. Welches Land möchte die Welt nicht besser machen – für sich?“ Auf einer anderen Folie heißt es: „Worin besteht die Bedrohung? Sagen wir es offen – die westliche Welt (insbesondere die USA hat durch die Setzung von Standard in der Frühzeit des Internets Einfluss gewonnen und viel Geld verdient. Die USA waren der wichtigste Akteur bei der Gestaltung des Internets, wie es uns heute zur Verfügung steht. Dies führte zu einem intensiven Export von amerikanischer Kultur und Technologie. Und US-Unternehmen haben dabei viel Geld gemacht.“ Bei den Methoden ließ man sich, so zeigt das Kapitel mit einigen noch nicht veröffentlichten Dokumenten, von ungebremstem Größenwahn leiten. So wurden in Kooperation mit dem britischen GCHQ Unsummen von Geld ausgegeben, um auch die Telefonate aus fliegenden Flugzeugen heraus zu überwachen und genau einem spezifischen Sitzplatz zuzuordnen. Auch die oft gepriesenen Blackberrys sind nicht sicher. Größere IT-Gerätelieferungen wurden häufiger abgefangen, die einzelnen Geräte mit Spionageequipment ausgerüstet und anschließend zum ahnungslosen Endkunden geschickt. Firmen wie Intel waren und sind wohl in dem Spiel um die allumfassende Überwachung willfährige Helfer der amerikanischen Regierung und Geheimdienste. So ließ sich Snowden in der letzten Phase vor seiner Aktion von Dell beschäftigen, um an bestimmte Geheimdokumente zu kommen, auf die eigentlich nur hochrangige Geheimnisträger hätten zugreifen dürfen – auf die aber real zig bei Firmen angestellte Analysten ohne jeden Rechtfertigungsdruck Zugriff hatten. Greenwald sagte auf Nachfrage nach spezifischen Unternehmen (VMware, Cloud-Provider) während einer Lesung in München: „Ich kann nicht über unveröffentlichte Dokumente reden, aber ich traue keinem einzigen US-Technologieunternehmen.“ Dies ins Stammbuch all jener, die immer noch daran glauben, dass ihre Daten in der Cloud eines amerikanischen Anbieters gut aufgehoben wären.
Teil Drei des Buches sagt mit erfreulicher Klarheit, warum Privatsphäre wichtig ist: Weil Menschen nämlich nur in ungestörter Privatheit wirklich erforschen und erfahren können, wer sie im tiefsten Inneren sind. Sobald man sich beobachtet fühle, das belegt Greenwald auch durch Forschungsergebnisse, verändere sich das Verhalten. Menschen würden unfrei. Das gelte unabhängig davon, ob ihre Daten am Ende tatsächlich jemand ansieht oder nicht. Was hilft? Greenwald setzt vor allem darauf, dass die Einzelnen den Kampf um ihre Privatheit aufnehmen, gegen Überwachung protestieren und beginnen sich zu schützen, indem sie beispielsweise ihre Mails verschlüsseln oder anonym surfen. Besonders wichtig seien auch die Journalisten, so lange sie sich von Staat und Industrie fernhalten und ihre Rolle als vierte Gewalt ernst nehmen.
Etwas verwundert hat die Rezensentin, dass sich Greenwald in dem Buch so wenig zum Thema Wirtschaft äußert. Denn die Datenausforschungen, die Big-Data-Technologie großen Unternehmen ermöglicht, sind in den Augen vieler auf längere Sicht genauso ärgerlich, wenn nicht gar bedrohlich, wie die durch den Staat. Greenwalds Kritik fokussiert sich, ganz in der Tradition US-amerikanischer Staatsskepsis, aber ganz auf diesen, als wäre nicht heute die Politik oft genug nur noch eine Marionette mächtiger wirtschaftlicher Interessen. Uneingeschränkt empfehlenswert ist das Buch trotzdem für alle, die sich ein aktuelles Bild machen wollen vom Stand der Offenlegung des NSA-Skandals und auch jenen, die immer noch glauben, Privatheit wäre ein Luxus, auf den wir einfach so verzichten könnten.
Eine andere, nicht weniger aufklärerische Publikation stammt von dem grünen politiker Jan Philipp Albrecht, der Verhandlungsführer für die Novellierung der EU-Datenschutzgrundverordnung im bis 2014 amtierenden Europaparlament war.
Albrecht beschreibt zunächst, wie die Technologieentwicklung den digitalen Zugriff auf immer mehr Informationen und die digitale Steuerung immer mehr wichtiger Vorgänge erlaubt, beispielsweise durch Handelsalgorithmen, die das Börsengeschehen in den vergangenen Jahren an der Masse der Anleger vorbei revolutioniert haben, aber auch durch die automatische Ortung mittels GPS-Modulen, wie sie demnächst in jedem Fahrzeug vorgeschrieben werden. Dann beschreibt er, wie im Verlauf dieser Entwicklung der Datenschutz immer mehr ausgehöhlt wurde, weil die Politik die technologische Entwicklung schlicht verschlief und ihre Auswirkungen nicht erkannte, was inzwischen dazu geführt habe, dass durch Abgreifen von Daten und Analyse das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen insgesamt gefährdet sei.
Dankenswerterweise beschreibt Albrecht in großer Klarheit auch die Gründe, warum sich die Verabschiedung der schon lange als Entwurf vorliegenden neuen EU-Datenschutzgrundverordnung sich immer wieder verzögert. Weil nämlich mit viel Geld ausgestattete Interessenträger insbesondere der IT- und Internet-Industrie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um den Text der Verordnung in ihrem Sinne zu verändern und abzuschwächen. Anschaulich erklärt Albrecht, wie unerbittlich die Mühlen des Verbände-Lobbyismus mahlen und wie es nahezu unmöglich ist, den Einflüsterungen und Drohungen dieser hochbezahlten Lobbyisten zu entkommen. Schließlich hält der Autor, begründet durch das Vorangehende, ein Plädoyer für starken Datenschutz in Europa, damit nicht das schwer erkämpfte Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen politisch-wirtschaftlichen Interessen mächtiger Eliten und Konzerne geopfert wird. Leser, die das Thema Datenschutz aus einer europäischen politischen Perspektive interessiert und die gleichzeitig etwas über den Einfluss wirtschaftlicher Lobbygruppen erfahren möchten, finden hier in einer schnell konsumierbaren Form, was sie suchen.

((Bibliographie))
Glenn Greenwald: Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen. Droemer München 2014, gebunden, 365 Seiten. 19,99 Euro. ISBN 978-3-426-27635-8

Jan Philipp Albrecht, Finger weg von unseren Daten! Wie wir entmündigt und ausgenommen werden. Reihe Knaur Klartext, Droemer/Knaur-Verlag, München 2014, 192 Seiten, broschiert, 7 Euro. ISBN-10:3-426-78687-7

Green Grid will Bock zum Gärtner machen: Energieprovider sollen RZ-Stromverbrauch drücken helfen

The Green Grid, ein Non-Profit-Verband, der sich mit dem Thema Stromverbrauch in Rechenzentren beschäftigt, hat laut einer aktuellen pressemeldung, die nachhaltige-it heute zuging, eine Idee entwickelt, wer dafür sorgen soll, dass der Stromverbrauch in Rechenzentren sinkt: Zwischen 2011 und 2013 ist er um 19 Prozent gestiegen. Nun, wer also soll in Zukunft die Aufgabe übernehmen, hier für weniger Verbrauch zu sorgen?
Sie werden es kaum glauben: Die Energieanbieter. Die ja in Deutschland wirklich durch ihre überaus prograssive Energiepolitik glänzen. Na, das mag was werden! Im Übrigen sucht die Rechenzentrumsbranche in Gestalt des BITKOM zu beweisen, dass Rechenzentren dringend auch als energieintensive Unternehmen angesehen werden müssten, die, wen wundert es, natürlich von den Rabatten für diese Industriezweige profitieren sollen.
Das wäre m.E. genau der falsche Schachzug. Zielführend wäre, so meint nachhaltige-it, PUE-Grenzen für Rechenzentren vorzuschreiben und noch mehr Geld und Manpower in die Erforschung energieeffizienter Rechenverfahren zu stecken und auch in Plattformen, die mit weniger Strom zurechtkommen, z.B. Computer aus organischem Material etc. Das würde die Branche ganz nebenbei zumindest teilweise von der Elektroschrott-Problematik befreien, den Verbrauch an seltenen oder kostbaren Metallen senken und damit der Umwelt und der Gesellschaft gleich mehrfach Gutes tun. Merke: Wer Strompreisrabatte streut, wird reichlich Stromverbrauch ernten.