Smart 2020 Addendum Deutschland ist eine auf Deutschland bezogene Konkretisierung der Smart-2020-Studie. Diese Arbeit der Organisation GeSI kalkuliert, welche Kohlendioxid-Mengen durch IT-Einsatz eingespart werden könnten. Das staunenswerte Ergebnis: Im Jahr 2020 könnte Green IT in Deutschland 207 Megatonnen Kohlendioxid wegputzen, wenn CO2-sparende Anwendungen flächendeckend implementiert würden. Das wären 25 Prozent des prognostizierten Gesamtausstoßes nach dem sogenannten BAU (Business as usual)-Szenario und damit eine beachtliche Menge des für BAU prognostizierten Gesamtausstoßes von 834 Mt. Diese phantastische Zahl, die das Herz jedes IT-Anbieters mit Sicherheit sofort höher schlagen ließ, wurde den Besuchern des IT-Gipfels von nahezu jedem Referenten gebetsmühlenartig vorgetragen. Einsparungen in der IT selbst, zum Beispiel durch Virtualisierung, würden davon 13 Mt ausmachen.

Doch leider zeigt sich beim genaueren Hinsehen, dass die Aussichten mitnichten wirklich so rosig sind. Denn die Autoren betrachten bei ihrer Deutschland-Analyse Kohlendioxid-sparende Geschäftsmodelle auch daraufhin, ob sie sich für IT-Unternehmen (die sie implementieren müssten) und Anwender (die sie gegebenenfalls kaufen müssten) auch lohnen. Und unter diesem Aspekt fällt die Ersparnis wesentlich mickriger aus: Nur 64 Mt Kohlendioxid, mithin leider nur noch 7,67 Prozent lassen sich so wohl einsparen.

Einfach, weil für IT-Anbieter und Nutzer am ehesten profitabel, sind Anwendungen und Konzepte wie Telearbeit, E-Media, Flottenoptimierung und Betriebsoptimierung für (Groß)kraftwerke, intelligentes An- und Abschalten von Geräten, Videoconferencing und Telearbeit, industrielle Systemautomatisierung und eine Art fortgeschrittene Wettervorhersage, nämlich Vorhersagedienste für die Verfügbarkeit Erneuerbarer Enerigen.

So schöne und ergiebige Dinge wie Gebäude-Klimamanagementsysteme, Städtemaut und Frequenzumrichterantriebe haben zwar ein hohes Umsetzungspotential, das allerdings an ungünstigen Rahmenbedingungen scheitert. Zum Beispiel am Unwillen der Betroffenen (Städtemaut), an hohen Kosten (intelligente Gebäudeklimatisierung) oder an einer ungünstigen Marktstruktur mit langsamen Innovationszyklen (Frequenzumrichter).

Ganz schwierig wird es bei Maßnahmen, die die Mitwirkung der politischen Sphäre zwingend voraussetzen, zum Beispiel intelligente Fahrzeugnavigation, überwachtes Fahren und gezieltes Training des Fahrverhaltens oder IKT-optimierte Verkehrsflusssteuerung. Auch das gezielte Ein- und Ausschalöten von Verbrauchern durch den Stromanbieter, zum Beispiel von Waschmaschinen, bedarf gesetzlicher Eingriffe genau wie die optimale Ausnutzung intelligenter Stromzähler. Eine persönliche Kohlendioxid-Karte, von der das jährliche CO2-Budget jedes einzelnen abgebucht würde, erfordert genauso neue Gesetze wie elektronische Rechnungen, virtuelle Kraftwerke und einiges mehr.

Wer mehr will als die oben genannten 64 Mt, muss Barrieren beseitigen die Leute also überreden, ihnen Geld geben oder sie am Ende zwingen, könnte man banal sagen. Ganz so harsch drückt es natürlich Smart 2020 nicht aus und spricht von Informationskampagnen, Krediten und Subventionen, schließlich Abgaben und gesetzlichen Vorgaben, um das träge Volk und träge Unternehmen zum Mitmachen zu bewegen. Diese sollen allerdings grundsätzlich erst eingreifen, wenn bis 2015 die Bevölkerung und die Wirtschaft nicht von selbst Vernunft angenommen haben und die neuen Möglichkeiten nutzen.

Ab 2015 empfiehlt die Studie bei nicht ausreichender freiwilliger Adaption der genannten Maßnahmen
– bei Gebäudeklimamanagementsystemen die zwingende Einführung bei Neubauten und Sanierungen von Privatgebäuden
– bei der Städtemaut ab Mitte 2016 den großflächigen Rollout von Staats wegen
– beim Demand-Side-Management (also dem Ein- und Ausschalten von Geräten je nach Stromverfügbarkeit durch den Provider ab Mitte 2015
– und bei Telearbeit/Virtual Conferencing die Schaffung entsprechender Quoten ab 2014

Dass Green IT sehr wichtig für die IT-Branche in Deutschland ist, bestätigte auch noch eine internationale Delphi-Studie zu Zukunft und Zukunftsfähigkeit der IKT-Medien, die vom Münchner Kreis, EICT, der Telekom und TNS Infratest veröffentlicht wurde. Sie sieht die Effizienzsteigerung durch Green IT als eine der wesentlichen gesellschaftlichen Implikationen der IKT-Entwicklung. Befragt wurden hierzu knapp tausend Experten aus der ganzen Welt, wbobei etwa die Hälfte aus Deutschland stammte.

Und auch die Deutsche Energie-Agentur meldete sich in Stuttgart mit einer Green-IT-Publikation zu Wort, an der auch Bitkom und die Initiative Energieeffizienz-Dienstleistungen mitwirkten. Letzteres lässt nichts Gutes ahnen, denn hinter dieser Initiative verstecken sich neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und der Dena auch die vier Großen der deutschen Energiebranche. Und die waren ja bekanntlich schon immer fürs Stromsparen, aber vielleicht sind sie es ja diesmal wirklich… Die Broschüre ist schön bunt mit vielen Beispielen, heißt Green IT: Potenzial für die Zukunft und kann heruntergeladen werden.

Die große Freiheit, die Straße zu heizen, kostenlos durch die Stadt zu brausen und hundert Kilometer ins Büro zu pendeln, dürfte demnach spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Ende haben. Und ehrlich gesagt, würde ich persönlich das nicht so schlimm finden. Denen, die es schlimm finden, sei zum Trost gesagt: Studien waren schon immer geduldig und es ist leider schon viel nicht umgesetzt worden, was doch sehr vernünftig wäre.

Andererseits gibt es natürlich auch andere Methoden, dasselbe zu erreichen, als die Welt mit Prozessoren vollzustopfen, die aufwändig aus seltenen Metallen zusammengebaut werden. Zum Beispiel sich freiwillig in der Nähe der Arbeit eine Wohnung zu suchen, freiwillig nicht mit dem Auto in die Stadt zu fahren (das ist sowieso was für Masochisten) und nicht unbedingt mittags um 12, wenn alle kochen, die Waschmaschine anzuwerfen. Trocknen kann man die Wäsche auch auf dem Ständer und ganz ohne Stromkosten.

Es gab also viel Gutes und Interessantes auf dem IT-Gipfel. Es gab aber auch Schlimmes zu erahnen und zu hören. Zum Beispiel vermute ich hinter dem Redenschreiber-Team unseres Wirtschafts- und Technologieministers einige Damen und Herren äußerst zweifelhafter thematischer Vorbildung. So schwadronierte Herr Minister Brüderle davon, Deutschland sei bei IT gut: „Bei Hardware (!!!, wir haben keine einzige weltweit aktive IT-Hardware-Firma unter deutscher Ägide, deshalb Gekicher im Publikum und besonders unter den Fachjournalisten), Software, Dienstleistungen…“ Seine Kollegin vom Justizministerium titulierte Brüderle kurz entschlossen als Frau Leutheusser-Schnarrenberg.

Immerhin hatte sein Ministerium eine kleine ÜBERRASCHUNG mitgebracht, nämlich den „Energieeffiziente IKT für Mittelstand, Verwaltung und Wohnen – IT2Green“. Einsendeschluss der Beiträge ist der 31. Mai des kommenden Jahres, und vielleicht ist ja ein Leser dieses Blogs unter den Gewinnern.

Nicht viel besser der Vertreter Baden-Württembergs, der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten: Prof. Dr. Wolfgang Reinhardt. Er wusste zwar viel über die Autoindustrie des Ländles zu sagen und hatte auch so manches schöne Dichterzitat in seine Rede einbezogen, doch vom Thema selbst verstand er nun nicht sehr viel. Eloquent wie immer (mag man sie wählen oder nicht) wenigstens die Bundeskanzlerin, die sich zwischen Klimagipfel und Krisenpolitik auch noch nach Stuttgart gequält hatte, um dort die IT-Industrie zu loben und hoffentlich bald startenden Großtaten anzustacheln.

Summary:: German IT Summit in Stuttgart yesterday stressed the important role that Green IT might play in reducing German greenhouse gas emissions. According to a German breakdown of the famous Smart 2020 study, IT technology may reduce German carbon dioxide emissions up to 25 percent, but only 7,6 percent may come without influencing the general public by information campaigns, subsidies, taxes or sometimes harsh regulation.

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