Schwachsinn des Tages: Professor erklärt, warum alle Komponenten von Elektronik gleichzeitig ausfallen sollen

Einen interessanten Einblick in die geistige Haltung unserer Technologieentwickler gibt ein Artikel, den Andreas Hirstein in der Neuen Züricher Zeitung unter dem Titel: „Moderne Märchen der Konsumkritik“ veröffentlicht hat. Darin wird erklärt, warum natürlich der dumme Konsument selbst schuld ist, wenn ihm das Zeug nach kurzer Zeit um die Ohren fliegt (weil er nämlich billig eingekauft hat). Nicht erklärt wird leider in dem Artikel, woher eigentlich auf Dauer die Rohstoffe für diesen Wahnsinn kommen sollen und wer am Ende für das Recycling all dieser wunderbaren Materialien sorgen soll. Allein in Deutschland liegen bekanntlich mehr als 80 Millionen Handies in irgendwelchen Schubladen. Hier ein besonders schönes Zitat aus dem Artikel zum Appetit-Machen. Es stammt von Professor Sven Matthiessen vom KIT (Karlsruher Institut für Technologie) und offenbart, wes kleinen und unverantwortlichen Geistes Kind unsere Entwickler sind: «Die Lebensdauer wird nicht begrenzt, um den Kunden zu ärgern, sondern im Gegenteil, um sein Nutzerprofil möglichst genau abzubilden. Im Idealfall sollten alle Bauteile eines Geräts gleichzeitig am Ende der vermuteten Gebrauchsdauer kaputtgehen. Dann hat der Käufer genau die Leistung bezahlt, die er auch genutzt hat», sagt er.

Studie von make IT fair: Elektronikindustrie bietet miese Arbeitsbedingungen, Arbeitsvermittlungsagenturen kassieren ab

Make IT fair, eine Organisation, die sich kritisch mit den Verhältnissen in Zulieferbetrieben der IT- und Konsumelektronik-Industrie auseinandersetzt, hat einen auf ausführlichen Vor-Ort-Studien beruhenden Bericht zu Malaysia erarbeitet, der vom Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) veröffentlicht und von Goodelectronics, einer weiteren Organisation, die sich mit den Arbeitssbedingungen in der IT auseinandersetzt, PR-technisch beworben wird. Fazit: Arbeiter in den Zulieferbetrieben starten hoch verschuldet, weil Arbeitsvermittlungsagenturen horrende Gebühren fordern, die Arbeiter vom land verdienen oft nur halb so viel wie versprochen, es werden ohne Erklärung Summen vom Gehalt abgezogen und die Arbeitszeiten liegen häufig bei 72 Stunden wöchentlich. Das heißt: Was diese Arbeiter in einer Woche arbeiten, arbeiten wir in zweien. Nur leider ist ihr Jahr genau so lang wie unseres, und Überstundenausgleich gibt es für die Schufterei natürlich auch nicht. Dafür kriegen wir schön billige DVDs, Kameras und Fernsehr, deren Teile in den untersuchten Fabriken hergestellt werden (möglichst mit fest eingebautem Akku oder anderen Verschleißteilen damit sie schneller kaputt gehen!) Außerdem stellt make IT fair fest, dass die Auftraggeber der Zulieferer, namentlich Sony, Toshiba und Panasonic sich keinen Deut um die Arbeitsbedingungen dort scheren. Bei HP, Apple und Philips verzeichnet die Organisation erste Schritte zur Besserung, auch wenn der Weg zu fairen Arbeitsbedingungen noch sehr weit ist. Jeder mag selbst entscheiden, wessen Geräte er in Zukunft lieber kauft.

English Summary:New report on workong conditions in the Malaysian second/third tier IT supplier industries by Make IT fair, published by Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) and promoted by Goodelectronics. According to its findings, recruitment agencies take horrible feees, workers have to work up to 72 hrs a week, payment often is much less than promised etc. Some companies do not care a bit, namely Sony, Toshiba and Panasonic, some do something: HP, Apple and Philips.

Billigkauf schadet Nachhaltigkeit

Eigentlich darf es niemanden ernsthaft verwundern: Wenn in Ausschreibungen der Preis das einzige letztlich ausschlaggebende Kriterium ist, leidet die Qualität der gekauften Geräte (da billiger in der Regel nun mal an irgendeiner Stelle schlechter ist) und damit die nachhaltigkeit, denn gerade elektronische Billigprodukte neigen dazu, vorzeitig ihren Geist aufzugeben, mehr Strom zu verbrauchen etc. Darauf, dass dies bei einem speziellen Großeinkäufer, nämlich der öffentlichen Hand, besonders fatale Auswirkungen hat, weist eine Pressemitteilung von TCO Development hin. Bekannt wurde TCO durch die ergonomische Zertifizierung von Bildschirmen, inzwischen zertifiziert das Institut auch Tablets und anderes, wobei seit Kurzem auch die Produktionsbedingungen in die Bewertung einbezogen werden. Das Europäische Parlament befürworte, so TCO in seiner Pressemeldung, dass andere, grüne Kriterien den Preis als Vergabekriterium gleichwertig ergänzen und empfiehlt das eigene Prüfsiegel als Hinweis auf die Erfüllung entsprechender Kriterien.
Kommentar:Wenn man auch angesichts dieser Verknüpfung davon ausgehen muss, dass die Empfehlung nicht ganz uneigennützig erfolgt, kann man inhaltlich das Anliegen, sich gerade bei den oft voluminösen Ausschreibungen nicht an die billigsten produkte zu halten, nur unterstützen. So lange Gemeinden, Länder, der Bund und jedes Amt vormacht, dass es mit der billigsten Kiste auch geht, zumindest eine gewisse Zeit, kann der Staat von seinen Bürgern kaum vernünftigeres Verhalten erwarten.

English Summary:TCO, a certification organization for environmentally friendly IT products, states that public procurement that makes buying decisions only for the cheapest offer hampers sustainability and violates political goals of EU parlament

Buchrezension: Die Stadt von Morgen – Fraunhofer liefert Ideen

Ein neues Buch, das im Hanser-Verlag erschienen und von Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofergesellschaft, und der Physikerin und Wissenschaftsjournalistin Brigitte Röthlein gemeinsam herausgegeben wurde, beschäftigt sich mit Lösungen für die „Morgenstadt“, also das Leben in den Städten, die in Zukunft die Mehrheit der Menschen beherbergen werden. Das anspruchsvoll aufgemachte, fest gebundene Buch beschreibt in übersichtlich gegliederten Kapiteln mit Überschriften wie Energie, Wasser, Bauen und Wohnen, Ernährung und Gesundheit, Mobilität, Sicherheit, Arbeitswelt, Ver- und Entsorgung, Kommunikation sowie einem einleitenden und einem zusammenfassenden, abschließenden Abschnitt, welche Ansätze in den einzelnen Fraunhofer-Instituten und auch anderswo entwickelt werden und wo es schon vielversprechende Beispiele gibt. Das Buch liest sich anregend und spannend, zumal es in einer Sprache abgefasst ist, die auch viele Laien ohne naturwissenschaftliche Ausbildung wahrscheinlich verstehen werden.
Auch wenn nirgends behauptet wird, die Umstellung auf die Lebensformen und Technologien der Morgenstadt sei ein Spaziergang, ist das Vertrauen der Autoren in Technologie dabei relativ grenzenlos. Und tatsächlich lesen sich die Vorschläge, die sie für teils sehr knifflige Zukunftsprobleme entwickeln oder darstellen, sehr vielversprechend. Durchaus nicht alles mutet dabei so vertraut an wie die Beschreibung der nun schon beinahe zum Gemeinplatz werdenden „Smart Grids“, also des intelligenten, mit Kommunikationstechnik durchsetzten, Energienetze. Sehr interssant sind beispielsweise die Vorschläge zu den Themen Wasser, Ernährung und Gesundheit, denn sie zielen auf mehr Autonomie von Städten und einzelnen Haushalten – beispielsweise Grauwassergewinnung in hauseigenen Kläranlagen und Regenwasser-Auffangsystemen, Rückgewinnung des dringend als Dünger benötigten Phosphor aus dem Abwasser, Trinkwassergewinnung durch von hochkonzentrierter Salzlösung berieselte Türme und so weiter. Auch die Ideen zum Mobilitätssystem (Multi-Modalität, Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger etc.) lessen sich ganz wunderbar, und man kann nur hoffen, dass es gelingt, sie auch in Städten zu implementieren, die nicht so reich sind wie westeuropäische, asiatische oder US-amerikanische Metropolen.
Eine besonders wichtige Rolle spielt in vielen Bereichen die mehr oder weniger allerorten integrierte Kommunikationstechnologie, die in einem separaten Kapitel auftaucht, aber auch nahezu in jedem einzelnen anderen Kapitel eine wichtige Rolle spielt. Das freilich kann nicht nur positive Assoziationen wecken, denn die Vorstellung einer von Sensoren, Kameras und autonomen Kommunikationssystemen durchsetzten Welt, die munter Daten über alles und jedes funken, ist gewöhnungsbedürftig.
Allerdings hat das Buch an manchen Stellen auch Schwächen, die sich aus seiner Technologiefokussierung ableiten. Beispiel: Ressourceneinsparung. Hier bringt das Buch manche sehr plausiblen Lösungsvorschläge nicht. Beispielsweise wäre die mit Anbstand größte vorstellbare Einsparung wertvoller Ressourcen einfach dadurch realisierbar, dass Geräte, Kleidung etc. für einen längeren Gebrauch (nicht nur für ein leichtes Recycling) gebaut werden. Reparaturfreundliche Geräteentwicklung mit Austauschbarkeit/Reparierbarkeit aller Komponenten, Verlängerung der normalen Garantiedauer auf fünf Jahre (was bedeuten würde, dass alle Bauteile auch fünf Jahre mindestens vorgehalten werden müssen) etc. wären Schritte in diese Richtung, die in ihren Effekten über die bloße Rücknahme und Wiederverwertung schnell verschlissener Güter gerde aus dem IuK-bereich (Smartphones, Tablets, Rechner im Allgemeinen, elektronische Gadgets) weit hinausreichen würden, denn sie sparen auch Transportvorgänge (Liefern, Einsammeln) und Energie (Recycling). Eine Verdopplung der Lebendauer von Gütern würde schlicht bedeuten, dass man im selben Zeitraum nur halb so viele Güter herstellen und auch nur halb so viele Ressourcen verbrauchen würde. Eine solche Ausrichtung würde allerdings Innovationszyklen entschleunigen und das Produktionssystem und würde damit damit die Gewinnspannen der Produzenten und möglicherweise Arbeitsplätze, wobei diese allerdings auch im Reparaturbereich eingerichtet werden könnten. Verständlich, dass Fraunhofer als Auftragsforschungsinstitut hier anscheinend nichts entwickelt oder jedenfalls davon nichts zu lesen ist. Wahrscheinlich aber werden wir am Ende genau solche systemsprengenden Lösungen brauchen, um die Erde für eine auf neun Milliarden angeschwollene Menschheit bewohnbar zu halten.

Bibliographie: Bullinger, Hans Jörg/Röthlein, Brigitte: Morgenstadt. Wie wir morgen leben. Lösungen für das urbane Leben der Zukunft. Hanser-Verlag, München, 286 Seiten, gebunden, mehrfarbige Grafiken, ISBN 978-3-446-43203-1 25,80 €

Zürich: Anmelden zur ICT-For-Green-Tagung

Wer sich für grüne IT (also weniger ressourcenfressende IT und IT, die hilft, anderweitig Ressourcen zu sparen) interessiert, sollte eine Reise zur ICT4S (Informations- und Kommunikationstechnologie für Nachhaltigkeit) in Zürich erwägen. Mit Vorveranstaltungen dauert der Kongress vom 12. bis zum 16. Februar. Er deckt alle wichtigen Themen von Energieverbrauch bis Elektroschrott, von IT-gestützten Nachhaltigkeitsinitiativen bis Smart Cities ab. Anmeldeformular und nähere Infos befinden sich auf der Veranstaltungsseite.

Murks-Nein-Danke kriegt Nachhaltigkeitssiegel

Hersteller mögen lächeln oder toben, die Sache mit dem viel zu schnellen Produktverschleiß von Elektronikgeräten schlägt langsam hohe Wellen, und der Kampf gegen diese Unsitte gewinnt Fahrt. Deshalb wohl wurde jetzt die Initiative Murks-nein-danke mit dem Nachhaltigkeitssiegel des deutschen Rats für Nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet. Andere ausgezeichnete Produkte finden Sie auf der Seite der Werkstatt-N, die von dem Gremium eingerichtet wurde.