Grüne Giganten: Top-500-Liste Juni 2013: Bester spart gegenüber Nr. 500 Strom für 180000 Einwohner

Ein bisschen spät, aber dennoch sehen wir uns die Liste der grünsten Supercomputer an, die etwa halbjährlich aktualisiert wird. Ganz vorne Systeme, die sich aus heterogenen Komponenten, zum Beispiel Standard-Prozessoren und Beschleunigerchips für spezifische Aufgaben, zusammensetzen. Ganz vorne: zwei Systeme mit NVIDIAs Kepler K20 GPU-Beschleunigern. Diese Geräte schaffen mehr als drei Milliarden Fließkomma-Operationen pro Sekunde (GFLOPS) und Watt und sind damit rund ein Drittel energieeffizienter als der bislang grünste Superrechner, der rund 2,5 GFLOPS pro Watt leistete. Der Stromverbrauch der beiden Spitzenreiter ist nichtsdestotrotz gewaltig: Er liegt beim Spitzenreiter Eurora bei 30,70 kW, was bei einer Betriebsdauer von 24*7*365 auf 1882524 kWh oder 1882,5 MWh oder 1,8 GW hinausläuft. Angenommen, ein Standard-Haushalt mit vier Personen verbrauche im Jahr 4500 kWh, entspricht das dem Verbrauch von 418 Häusern oder, nimmt man den genannten Standard-haushalt an, dem einer Siedlung mit rund 1650 Einwohnern. Eurora steht bei CINECA, einem italienischen Non-Profit-Forschungsverbund. Das System auf Platz Nummer 10, ein BlueGene der Universität von Rochester, verbraucht übrigens schon 82,19 kW und damit bei gleicher Laufzeit so viel wie eine Siedlung mit etwa 4000 Einwohnern. Das System auf Platz 500 besteht aus geclusterten Opterons, steht bei einem Finanzdienstleister, schafft gerade mal 42,33 Millionen (nicht Milliarden!) Gleitkommaoperationen pro Sekunde und Watt, ist also knapp um den Faktor 1000 schlechter, und verbraucht 3340 kW, also rund hundert Mal so viel wie der Gewinner. Genau sind es bei durchgängigem Betrieb 204808800 kWh, entsprechend 204808,8 MWh oder 204,8 GW, ungefähr so viel wie 45500 Eigenheime der obigen Definition, was dem Verbrauch von rund 180000 Einwohnern entspricht. Jeder supereffiziente Rechner von der Qualität des Siegers spart also gegenüber dem letzten System der Liste so viel Strom ein, wie eine sehr große deutsche Mittelstadt (großstädte beginnen m.E. bei 200000 Einwohnern, die alle in 4-Personen-Standardhaushalten wohnen – das ist natürlich eine Fiktion) ein! Das zeigt, wie viel Potential für Green noch in der IT selbst steckt. Bei Strompreisen von 25 Cent pro Kilowattstunde (so viel zahlen heute Privathaushalte durchaus) bedeutet das eine Einsparung von 51 Millionen Euro, bei üblichen Industrie-Strompreisen von 7 Cent pro kWh sind es noch immer rund 14,3 Millionen Euro Stromkosten, die man durch modernste Technik jährlich einsparen kann. Kommt mir selbst wahnsinnig viel vor – oder haben ich mich verrechnet?

Kommentar: Was wirklich neu ist an Tempora und Prism

Nachhaltigkeit bezieht sich, so höre ich immer wieder, nicht nur aufs Ökologische, sondern auch auf soziale und ökonomische Zusammenhänge. Deshalb erlaubt sich nachhaltige IT nun einmal einen Kommentar zu aktuellen datenschutzrechtlichen Enthüllungen und Debakeln, sprich Prism 1, Prism 2 und Tempora. Die Freundinnen eines rein ökologischen Nachhaltigkeitsbegriffs mögen es verzeihen.
Derzeit wird viel darüber geredet, was wirklich neu ist an Tempora und PRISM. Neu ist zum einen: Während Echelon in den Neunzigern noch gelindes Erstaunen auslöste, tun Tempora und Prism das wohl nur noch bei denen, die eigentlich am ehesten davon wissen sollten: bei Presse, Medien und pflichtschuldigst empörten Politikern. Noch kein Durchschnittsmensch im meinem Bekanntenkreis war in irgendeiner Hinsicht überrascht über die Enthüllungen. „Das war doch klar“, „Das ist nun mal so“, „Sollen sie doch, die können mit den vielen Daten sowieso nichts anfangen“, das sind drei sehr häufige Standardantworten. Festzustellen ist also: Bürgerinnen haben sich seit den Neunzigern von ihren Bürgerrechten verabschiedet und schon so sehr an den Gedanken gewöhnt, keinerlei Privatsphäre mehr zu haben, dass sie das in der Regel nicht mehr verwundert. Und das ist eine echte Innovation.
Tatsächlich lassen sich die Spuren dieser Haltung bis zu Echelon zurückverfolgen. Viele ahnten oder wussten, dass es so was gab. Und nachdem es mehr oder weniger bekannt war, machten sich viele einen Spaß daraus, einfach am Anfang jedes noch so harmlosen Telefonats die Worte Bombe, Terror oder Ähnliches zu sagen, und erst dann das wirkliche Gespräch zu beginnen. Wir fanden das witzig.
Da gab es aber noch kein Big Data. Und hier kommt das zweite Neue: Neu ist nämlich nicht, dass alles Mögliche abgehört wird, sondern dass man dank neuartiger Technologien, die es erst wenige Jahre überhaupt gibt, Möglichkeiten hat, diese Datenmassen nahezu größenunabhängig so zu analysieren, dass man tatsächlich Antworten auf alle möglichen legalen oder auch illegalen Fragen erhält. Das hatte man vor 2001 noch nicht, und deshalb stimmte auch die Vorstellung, dass man in dem riesigen Daten-Heuhaufen ohnehin nichts finden konnte und wenn man etwas fand, dieses garantiert nicht richtig mit anderen Informationen korreliert wurde.
Das gilt heute nicht mehr. Die Big-Data-Technologien machen es möglich, jeden noch so riesigen Datenhaufen mit beliebigen anderen Datenhaufen in Verbindung zu setzen und haargenaue Schlüsse bis hinab auf die Ebene von Einzelpersonen zu ziehen. Das mag in Hinblick auf die Terrorfahndung segensreich sein, ansonsten ist es aber nur erschreckend. Und insofern sollten auch die Verfechter der Leck-mich-am-Arsch-Haltung („Ich mache ja nichts Böses, warum sollte ich Angst vor den Datensammlern haben?“) ihre Haltung nochmal gründlich überdenken. Denn Daten geraten gern einmal in Hände, für die sie anfänglich nicht gedacht waren. Das zeigen täglich Berichte über Datenlecks, Steuer-CDs (ausnahmsweise segensreich für die Zivilgesellschaft), Kreditkartenbetrügereien etc. Und irgendjemand betreibt im digitalen Untergrund wahrscheinlich längst für Geld auf Zeit anmietbare Analysesysteme, sprich: Big Data, mit dem einzigen Ziel, dass Untergrundakteure etwas herausfinden können, das dann dazu dient, Cyber-Betrügereien oder Schlimmeres am Rest der Menschheit zu verüben. Die Zeit der undurchsichtigen Heuhaufen ist vorbei. Deshalb muss Transparenz über alle Überwachungsvorgänge auf dem Gesetzeswege erwirkt werden, am besten weltweit, und wenn das nicht geht, dann wenigstens in Europa.
Dem würde es, sorry BITKOM und BDI, auch gut tun, wenn es eine Meldepflicht für Cyber-Angriffe gäbe. Dass BITKOM dagegen ist, kann man ja irgendwie noch nachvollziehen. Denn schließlich sind die Produkte der in BITKOM vertretenen Firmen, also IT-Systeme samt Software, Angriffsziel und (bei erfolgreichen Angriffen) untaugliches Verteidigungsmittel in einem. Dass aber die übrige Industrie sich vorbehalten möchte, was sie meldet und was nicht, ist schon merkwürdig. Man stelle sich vor, die Ermittlung bei Diebstahl, Betrug oder Raubüberfällen wäre ins Ermessen des Beraubten oder Betrogenen gestellt. Das entspricht so ungefähr den Rechtsvorstellungen des Industrieverbandes und damit eher denen des wilden Westens als denen eines zivilisierten Landes, wo jede Untat ihren Richter finden muss.