Reale Kriegsgefahr durch Cyberabwehr?

In den vergangenen Tagen geisterte durch die Gazetten, die Bundesregierung plane, bei Cyberangriffen zurückzuschlagen und die angreifenden Server zu vernichten, und zwar auch dann, wenn sie (wie wohl meistens) im Ausland stehen. So berechtigt und notwendig das Anliegen ist, Cyber-Angriffe konsequent abzuwehren, indem man die eigenen Systeme wasserdicht macht (und beispielsweise technisch unbedarfte Politiker nicht mit ungeschützten Privathandies ihre Amtsgeschäfte regeln lässt), so riskant ist eine Hack-back-Strategie.
Natürlich sind Wut und Rachedurst sowie der Wunsch, die eigene gleichrangige Kompetenz zu demonstrieren in solchen Situationen sehr verständlich, nutzen sie aber am Ende wirklich? Immerhin besteht das Risiko, dass einer der Beteiligten irgendwann und vielleicht sogar unangekündigt vom Cyber- zum Physical War übergeht. Sinnvoll wären solche Gegen-Attacken allenfalls, wenn es sich mit Sicherheit bei den Angreifern um banale Hacker handelt, die beispielsweise versuchen, einen Staat durch Bedrohung seines Smart Grid zu erpressen. Aber oft genug ist es ja gar nicht möglich, das sauber auseinanderzuhalten. Und manchmal kommt der Angreifer vielleicht auch aus den eigenen Reihen. Stuxnet beispielsweise, angeblich ein Produkt von US- und israelischem Geheimdienst, verseuchte nicht nur Siemens-Steuerungen im Iran, sondern am Ende auch viele andere, weil die Urheber die Ausbreitung des Geistes aus der Flasche nicht vollständig kontrollieren konnte.
Bei der versehentlichen Auslösung von physischen Kriegshandlungen durch Hack Back kann Westeuropa nur verlieren. Was es bedeutet, sich selbst zum Schlachtfeld zu machen, hat Europa in zwei Weltkriegen während des 20. Jahrhunderts eindrucksvoll erfahren. Daraus den Schluss zu ziehen, man solle mit den gleichen Mitteln zurückschlagen, sich also nicht auf Verteidigung beschränken, wenn man im Cyberspace angegriffen wird, scheint mir ein Hasardeurspiel. Denn im Zweifel ist über die Ausrufung des Bündnisfalles der Weg zu einer weltweiten kriegerischen Auseinandersetzung nicht weit. Der einzig sinnvolle Umgang mit derartigen Cyber-Risiken besteht darin, die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern und vernünftigerweise nicht jede sicherheitsrelevante Infrastruktur auf Gedeih und Verderb auf nun mal unsichere Internet zu legen, auch wenn das einigen ökonomischen Blütenträumen den Garaus machen würde. Das Stromnetz gehört auf eine abgetrennte Infrastruktur, genau wie die Verkehrsnetze etc. Und sprechende Kühlschränke, Haar- und Zahnbürsten, die unsere Daten über das Internet an werweißwen weitergeben und uns (im Falle der Haarbürste) darüber belehren, wie wir unsere Haare bürsten sollen, braucht sowieso keiner. Ich nehme übrigens einen Kamm, der ist (noch) zu klein für ein intelligentes Innenleben.

Orwell live: Schwedische Firma chippt Mitarbeiter

Was für Hasso und Fifi gut ist, kann für Arbeitnehmer ja nicht schlecht sein: Was zuvor allenfalls auf der Cebit als Demo-Projekt zu besichtigen war, ist nun Wirklichkeit: Ein schwedisches Unternehmen chippt seine Mitarbeiter. Alles freiwillig bisher, natürlich. Fragt sich wie lange und wie stark der soziale Druck bzw. die auferlegten Unbequemlichkeiten für Verweigerer werden. Lustig wirds, wenn der oder die liebe KollegIn sich verabschiedet. Dann gehts wahrscheinlich zum chirurgen. Wohl bekomms!

Neues von der Digitalisierung im Spiegel und anderswo

Der Spiegel bringt in seiner aktuellen Ausgabe (14/2017) endlich mal eine nachdenkliche Geschichte über Digitalisierung, in der unter anderem die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Risiken der Digitalisierung thematisiert werden. Zwei werden jedoch geflissentlich übersehen: die Umweltrisiken und die systemischen Risiken.
Denn im Moment steht tatsächlich der Beweis noch aus, dass IT tatsächlich GLOBAL den CO2-Ausstoß senkt und nicht nur unseren, indem wir dreckige Produktion und Rohstofferzeugung sowie das Ende der Verwertungskette (Elektroschrott) systematisch woandershin auslagern. Und die gesamte durchdigitalisierte Welt fußt auf einer so komplexen Infrastruktur, dass jede größere Verwerfung der Strukturen möglicherweise das gesamte Gebilde ins Wackeln bringt. Es wäre schön gewesen, wenn auch diese Inhalte Eingang in die Berichterstattung gefunden hätten. Vielleicht wird`s ja noch.
Ziemlich unsäglich allerdings der zig Seiten lange Einhefter des Landees Bayern zum Thema Digitalisierung. Denn hier sind sogar echte Fake News eingestreut. Steht dort doch tatsächlich im Leitartikel der erstaunliche Satz: „Die digitale Innovation ist wie ein Klimawandel, den man staatlich nicht kontrollieren kann. Also muss man die Gesellschaft darauf vorbereiten.“ Gesagt hat`s Prof. Manfred Broy, der das Zentrum Digitalisierung Bayern leitet, eine neu gegründete bayerische Digitalisierungs-Propagandaschmiede. Denn beides – Digitalisierung und Klimawandel – ist vom Menschen gemacht und nicht etwa vom lieben Gott oder mysteriösen anderen Quellen, und muss infolgedessen vom Menschen verantwortet und gesteuert werden, was weit mehr ist als „die Gesellschaft darauf vorzubereiten“ wie auf einen Meteoriteneinschlag oder eine Überflutung aufgrund Regenguss. Dann der Sprachgebrauch: Broy spricht von „ein Klimawandel“ , als gäbe es davon beliebig viele. Damit verharmlost er, wie schwerwiegend und umfassend das Problem ist. Weil die meisten Politiker (anscheinend nicht aber Prof. Broy, aber der ist ja auch Digitalpropagandist) das beim Klimawandel inzwischen begriffen haben, treffen sie sich alle kurze Zeit , um zu vereinbaren, wie man den Klimawandel vorzugsweise durch weniger Ausstoß klimaschädlicher Gase eindämmen kann, was durchaus größere gesellschaftliche Umwälzungen bedeutet wird. Um dafür die Grundlage zu schaffen, ist das weltweite Klimaabkommen da, und das belegt genau das Gegenteil von Broys Behauptung, dass die Staaten nämlich durchaus Einfluss und eine steuernde Verantwortung für das Phänomen haben. Dass sie diese Verantwortung möglicherweise zu spät erkannt haben und in Handeln umsetzen, steht auf einem anderen Blatt, ändert aber am Faktum rein gar nichts. Das ist ziemlich unbequem, weil es unser Wachstumsmodell in Frage stellt. Da ist es schon einfacher, das Ganze als nahezu mythologische, unabwendbare Kraft zu betrachten, auf die man die Gesellschaft mehr schlecht als recht vorbereitet, so lange es nicht zu viel kostet und den anderen Himmelsmächten wie der Digitalisierung nicht in den Weg gerät, wie Broy es suggeriert. Nur wenige Machthaber und kaum ernstzunehmende Wissenschaftler verweigern sich inzwischen der Einsicht in die Notwendigkeit steuernder Maßnahmen, um das Klima zu stabilisieren. Der mächtigeste unter ihnen ist Donald Trump. Aber der behauptet ja auch weiter steif und fest entgegen allen Fotobeweisen, zu seiner Amtsübernahme seien mehr Menschen gekommen als zu der von Obama.
Im Radio durfte ich weiter hören, die Bundesregierung habe nun endlich ein Gesetz zum autonomen Fahren verabschiedet. Dessen Verantwortungsverteilung ist allerdings schlichtweg unsinnig: Nicht etwa die Softwarefirma soll für ihren Fahrassistenten verantwortlich sein oder der Autohersteller, der sie einbaut, sondern der Fahrer, obwohl er mit den Entscheidungen dieses Softwarestücks (das wie alle anderen komplexen Softwares dieses Planeten wohl fehlerbehaftet sein dürfte) nichts zu tun hat. Der Fahrer oder die Fahrerin soll in jeder Sekunde in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen. Hoffentlich kann er (oder sie) sich schnell genug vom Smartphone, der Spielekonsole oder dem Lesestoff lösen, denn mit dergleichen werden sich die Menschen wohl beschäftigen, wenn sie in ihren selbstfahrenden Karossen dahindösen. Das tun sie ja schon heute, obwohl die Autos mitnichten selbst fahren, und erhöhen dadurch die Zahl der Unfälle.
Wie schön für die Softwarefirmen und Autohersteller, dass sie wieder mal nicht in die Verantwortung genommen werden. Das steigert sicher das Wirtschaftswachstum. Denn nicht nur jedes verkaufte Auto und jede verkaufte Software schlagen positiv zu Buche, sondern auch jeder Unfall, weil ja repariert, gerettet, neu angeschafft oder geheilt werden muss. Ich würde so ein Ding nicht fahren, es sei denn, die Software übernimmt auch die Verantwortung für ihre Taten und ich habe wirklich meine Ruhe. Bis dahin döse ich viel gemütlicher in den Öffentlichen. Übrigens finden auch die Verbraucherverbände die gewählte Verantwortungsverteilung unfair. Man darf gespannt sein, wann der erste Fall vor dem obersten Gericht landet und wie das entscheiden wird.