VDE: Kunden müssen Pilotprojekte für Smart Grid mitfinanzieren

Intelligente Stromnetze ercfordern hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung und teure Pilotprojekte, um die neu entwickelten Technologien in einem begrenzten Rahmen auszuprobieren, bevor sie im gesamten Netz implementiert werden. Das Geld dafür soll laut einer neuen Positionspapier des VDE zum Thema elektrische Energieübertragung auch von den Endnutzern aufgebracht werden, und zwar, indem es in die von den Stromnetzbetreibern erhobenen Durchleitungsgebühren mit eingerechnet werden darf. Die von ihnen bezahlten Durchleitungsgebühren dürfen die Firmen, die Endkunden mit Strom beliefern, wiederum ihrer Preisfindung zugrunde legen. Der Lohn: eine gute Marktstellung für deutsche Anbieter, die sich natürlich auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt niederschlagen würde. Welche Kosten konkret entstehen könnten, wird in diesem Papier nicht beziffert. Fest steht allerdings: Ohne Intelligenz im Netz und neue Hochspannungsleitungen ist eine flächendeckende Versorgung mit Erneuerbaren Energien nicht zu haben.

Normierungsrahmen für Smartgrids

Kaum kritisiert, schon passiert: Nachdem viele Kenner der Materie bemängeln, dass es zum Thema Smart Grid noch keine ausreichende Standardisierung gibt, hat das Kompetenzzentrum e-energy der Deutschen Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik eine Normierungsroadmap erarbeitet, der hier sehr konkrete Vorschläge macht. In dem Papier wird eruiert, welche Standards und Standardisierungsvorschläge national und international existieren und was fehlt. Zu diesem Thema referiert der Text mehrere aktuelle Studien aus dem In- und Ausland. Dann macht das DKE selbst sehr detaillierte Vorschläge dazu, wie man hierzulande am besten vorgehen sollte.
Außerdem enthält das Papier eine umfassende Auflistung aller Vorteile, die Smartgrid den unterschiedlichen Akteuren bringen soll oder wird. Ein wenig klingt das so, als müssten die Adressaten erst mühselig von der Sinnhaftigkeit des Themas überzeugt werden. Dazu kommt eine Definition wichtiger Fachbegriffe und Terminologien. Der Begriff Smart Grid wird gleich in drei unterschiedlichen Varianten vorgefährt, wohl um die feinen Unterschiede im Verständnis in Europa, den USA sowie hierzulande zu verdeutlichen. Übrigens: Insgesamt werden für die Marktprozesse in der schönen, neuen Energiewelt mindestens zwölf „Rollen“ definiert, die sich auch noch überschneiden oder durch weitere Rollen ergänzt werden können. Hoffentlich geraten da die Schauspieler aus der Technologie- und Businesswelt da nicht gehörig durcheinander. Das führt nämlich in der Regel dazu, dass die Premiere vermasselt oder verschoben wird…

VDE-Studie zur Elektromobilität: Bis eine Million Elektrowagen keine Infrastrukturveränderungen am Stromnetz nötig

In seiner neuen Studie zum Thema Elektrofahrzeuge umreißt der VDE Forschungsbedarf, technische Möglichkeiten und zu erwartende Effekte von Elektrofahrzeugen. Dabei werden manch lieb gewordene Vorurteile erschüttert.

Deutschlands 41 Millionen PKW werden im Schnitt pro Tag etwa 40 Minuten bewegt. Ein Drittel der Fahrten ist unter fünf Kilometer lang, ließe sich also laut den Erkenntnissen von Mobilitätsforschern inklusive aller Rüst- und Suchzeiten sogar mit dem Rad in günstigen Situationen schneller bewältigen. Knapp 60 Prozent sind kürzer als zehn Kilometer. Parken tut das Gefährt (rund 20 Prozent der Haushalte haben noch ein zweites) meistens zu Hause, dort steht es über Nacht meist mindestens neun Stunden. Die meisten Fahrten finden spätnachmittags oder abends statt. 95 Prozent aller Fahrzeuge befinden sich statistisch in jedem Moment eines Tages außer Dienst. Was doch den deutlichen Eindruck von Überkapazitäten im deutschen Autopark hinterlässt.

Insgesamt sind diese Zahlen, so findet der VDE, eigentlich keine schlechten Vorbedingungen für die Nutzung von Elektromobilen. Würden von diesen rund eine Million auf deutschen Straßen rollen und sich regelmäßig am häuslichen Stecker oder anderswo vollladen, dann entspräche das, so die Forscher, rund 1,4 TWh (Terawattstunden) und damit bei 519 Terawattstunden Verbrauch 2009 etwa 0,26 Prozent des Gesamtverbrauchs. (Wären alle PKWs Elektrofahrzeuge, käme bei gleichem Stromverbrauch ein Wert von etwas über zehn Prozent heraus, das entspricht in etwa dem heutigen Anteil der Informationstechnik.)

Mit anderen Worten: Man kann es ruhig ausprobieren, ohne dass das Netz auf wesentlich höhere Kapazitäten ausgelegt werden muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nichts zu erforschen und zu entwicken gäbe.
Nötig sind zum einen neuartige Bauelemente mit geringen Widerständen und hohen Strömen und Kühlkörper für dieselben, Antriebswechselrichter, die auch bei hohen Temperaturen und ständigen Vibrationen nicht aufgeben, neue Wechselrichtertopologien, auf den Gesamt-Wirkungsgrad unter Beachtung des Fahrverhaltens optimierte Elektromotoren, der Antriebsstrang muss verändert werden und die Hilfsaggregate erfordern ein leistungfähigeres Bordnetz, das mit starken Schwankungen fertig wird. Die Bordelektronik kann nämlich die Reichweite, so die Studie, beim Elektroauto durchaus um ein Viertel verringern. Das Netz soll bei Bedarf nicht so wichtige Komponenten runterfahren, die lebenswichtigen dafür doppelt mit Strom versorgen. Besonders viel zu tun gibt es bei der Kernkomponente Batterien – hier sieht der VDE die besten Chancen beim Lithium-Ionen-Akku, dem er in der Masenproduktion beträchtliche Preiselastizität nach unten zutraut. Allerdings sei der Rohstoff knapp, wie überhaupt viele Rohstoffe fürs Elektromobil, zum Beispiel auch für die Magnete, entweder rar oder weit weg (z.B. in China) erhältlich sind. Die Ladetechnik hat Optimierungsbedarf und ist derzeit zu teuer. Immerhin kann man Batterien bei Teilentladung länger nutzen, was den Bedürfnissen des Elektromobils, das beim Parken immer wieder aufgeladen werden kann, entgegenkommt. Wo sich am Ende Ladestation und Abrechnungsmodul befinden werden, ist noch unklar, der VDE rechnet aber damit, dass die meisten PKW eher zu Hause in der Garage aufgeladen werden. Zum Laden kommt normaler 3,7-kW-Haushaltsstrom am wahrscheinlichsten in Frage. Auch das Abrechnungsverfahren muss erst noch entwickelt werden. Ein Zähler im Fahrzeug mit Verrechnungsmöglichkeit gegen vorhandene Sammelzähler wäre vor allem für die wichtig, die ihren Wagen am Straßenrand parken.
Zur Reichweitenverlängerung eignen sich langfristig besonders Brennstoffzellen, insbesondere ihre Hochtemperatur-Variante, die aber noch erhebliche Entwicklungsfragen aufwirft.
Auch bei den Steckverbindern muss sich etwas tun, denn sie müssen im Elektroauto hohe Spannungen und Ströme verkraften. Immerhin arbeitet der IEC an einem Standard für Ladestecker, während für die funktionale Sicherheit bei Crashs (hierbei können sich schlimmstenfalls Batterien entzünden) ISO CD 26262 derzeit zuständig ist.
Ein weiteres Problem ist, wie man das Fahrzeug ohne Verbrennungsmotor warm bekommt, dafür schlägt die VDE-Studie zum Beispiel Wärmepumpentechnologie vor.
Einer immer wieder publizierten Vorstellung tritt allerdings der VDE klar entgegen: der Batteriestrom eignet sich wegen der aufwändigen Technologie nicht dazu, ihn ins Netz zurückzuspeisen. Alleinfalls durch ein Management des Aufladezeitpunkts können Elektroautos zur Ausbalancierung des Netzes beitragen.
Und der Verband hält es durchaus für sinnvoll und möglich, über neue Mobilitätsmodelle nachzudenken, die stärker als bisher auf Nutzung als auf Besitz von Fahrzeugen hinauslaufen. Denn: 95 Prozent stehen zu jeder Zeit ohnehin herum!

Smart Grid: Abhängig von Volkes Wille

Eine neue Studie des VDE (Smart Energy 2020) offenbart, wie viele Hindernisse es noch zu überwinden gilt, bis das allseits geforderte intelligente Energienetz Wirklichkeit werden kann.

Wenn Herr Müller nicht will, dann will er nicht. Und wenn viele Herr Müllers nicht wollen, dann wird es vielleicht nichts mit der smarten Energieinfrastruktur, die von der Politik allenthalben gefordert, in der Praxis von einigen Pilotversuchen abgesehen, aber noch hauptsächlich im Reich der Träume residiert.

Die Studie des VDE legt offen, welche elementaren Mängel an der derzeitigen Situation bestehen. Das fängt schon damit an, dass kein Haushalt und kein Hausbesitzer gezwungen werden kann, einen intelligenten Zähler bei sich installieren zu lassen, zum Beispiel weil er/sie Ausspähung fürchtet oder Umstand. Weiter sind die gesetzlichen Bestimmungen so schwammig formuliert, dass bei großzügiger Auslegung auch heutige Zähler ausreichen.

Außerdem fehlt es bislang an einem tragfähigen wirtschaftlichen Modell, das es für die Zuständigen – insbesondere die Netzbetreiber – sinnvoll machen würde, die Verbreitung solcher Zähler zu forcieren. Und unsere Gesetze sind mal wieder so kompliziert und mit so vielen unterschiedlichen Akteursrollen gespickt, dass sich wahrscheinlich immer ein Grund finden wird, warum gerade dieser oder jener für diese Aufgabe nicht zuständig ist.

Dazu kommen zig technische Kalamitäten, was eigentlich besonders den Erfindergeist der Kommunikationsindustrie und der Sicherheits- sowie Speicherfirmen anstacheln sollte: So fehlt es an zig Protokollen, die man braucht, um die zukünftig vielen Akteure und Steuervorgänge zuverlässig miteinander zu verbinden, so dass das gewünschte Finetuning des Netzes auch tatsächlich möglich wird. Außerdem ist man sich natürlich keinesfalls einig, wie die dazu nötigen hausnetze gestaltet werden sollen. Hier gibt es mehrere konkurrierende Entwürfe.

Außerdem dürften bei den geplanten viertelständlichen Auslesevorgänge aller Geräte in einer häuslichen Infrastruktur unglaubliche Datenmassen entstehen. Keiner weiß, wohin die Unmengen von Daten eigentlich wandern sollen, wo sie letztlich gespeichert werden und wer für die vermutlich nicht unerheblichen Kosten dieser Speicherung aufkommen wird.

Und schließlich gibt es jede Menge Sicherheitsbedenken, denn schließlich lassen sich mit Hilfe der Informationen darüber, wann Herd, Waschmaschine, Fernseher oder andere Verbraucher laufen, schon recht feinkörnige Profile erstellen. Das aber ist der typische Fall für den Datenschutz. Man erinnere sich an die jüngst erfolgte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung.

Werden diese Probleme nicht bald gelöst, dann bleibt wohl die Vorstellung eines intelligenten Energienetz das, was sie heute ist: Ein hehres Ziel an einem ziemlich fernen Horizont.
Das ist aber noch nicht alles.

Die vollständige Studie ist kostenpflichtig beim VDE erhältlich.

Summary:German Association of Electrical Engineers published a study that shows the many difficulties that have to be overcome to build a smart energy grid: There is no duty to allow the installation of a smart meter, communication protocols are missing, no one knows how much data would be generated (masses!) and where to store them without compromising data protection and data security of individual energy customers.

Kommentar:Mit der Diskussion über das Smart Grid steuert die Gesellschaft auf einen neuen Streit über die Reichweite individueller Freiheiten zu: Soll ein solches Netz entstehen, müssen die Einzelnen zumindest zum Einbau entsprechender Zähler verpflichtet werden. Soll man das Netz wie geplant feingranulär steuern können, sind die Freigabe bestimmter Daten und die Möglichkeit, auch auf die Endgeräte von Endanwendern zuzugreifen, einfach unumgänglich. Jedenfalls sieht es heute so aus. Wir steuern also auf eine neue, wahrscheinlich ziemlich unangenehme Debatte zu. Denn schließlich geht es beim Smart Grid darum, unseren Energiehunger so weit auszutarieren, dass er mit mehr regenerativer Energie und mehr steuernden Eingriffen den Abschied von Atom und Kohle ermöglicht. EIn hohes Ziel also, das es da gegen die weitgehende Entscheidungsfreiheit der Einzelnen abzuzwägen gilt – auch wenn die Kühltruhe dann nicht mehr Tag und Nacht laufen darf, so viel sie will.