Zum Jahresabschluss: Grüne Rechenzentren, ein interessantes Kunstprojekt, eine Zeitschrift, Zertifikate und die Geschichte von Youtube

Das grüne Rechenzentrum ist plötzlich in aller Munde. Wo man sich bis vor wenigen Jahren den Mund vergeblich fusselig redete, um die Fachleute für mehr Energieeffizienz im RZ zu begeistern, gibt es plötzlich echtes Interesse – die Energiekrise macht es möglich. Einschlägige Verbände und auch Firmen überbieten sich in Green-IT-Konzepten, die isländische RZ-Branche wirbt mit dem schlagenden Argument des Kohlendioxid-freien RZ-Betriebs und in Frankfurt entstehen Pläne, wie endlich die Restwärme der rechnenden Heizöfen für sinnvolle Zwecke genutzt werden kann. Kurz: Man könnte meinen, nachhaltige IT hätte sich überflüssig gemacht. Und vielleicht ist das ja auch so.
Wer gern einmal etwas weniger Mainstreamiges über KI lesen möchte, kann sich das Magazin sustain aus dem Web herunterladen. Herausgegeben wird die Publikation von drei Organisationen: von Algorithm Watch, vom IÖW (Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung) und vom DAI (Distributed AI)-Labor der TU Berlin. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz unterstützt die Zeitschrift.
Sehr interessant fand ich in der Ausgabe vom Juni 2022 einen künstlierisch-wissenschaftlichen Versuch des Projekts Carbolytics, die Nachhaltigkeitswirkungen von Adtech sichtbar und erfahrbar zu machen.
Dass längst nicht alles Gold ist, was sich Mühe gibt zu leuchten, zeigt das Beispiel der Kohlendioxid-Zertifikate, die unsere angeblich ach so grünen Rechenzentren kaufen. Wie es wirklich läuft mit dem grünen Strom und den Zertifikaten kann man sehr schön hier nachlesen.
Wer also wirklich grünen Strom bei seinem Kolokateur will, darf nicht nach rechnerischer CO2-Neutralität fragen, sondern muss sich dafür interessieren, woher der Strom wirklich kommt: Von nebenan, vom Kohlekraftwerk oder von einer Wind- oder Solarfarm, deren Erträge tatsächlich ins kontinentaleuropäische Stromnetz eingespeist werden. Mit nominellen Neutralitätsnachweisen ist der Umwelt nämlich nicht gedient, höchstens dem Gewissen des RZ-Kunden.
Ein interessantes Buch möchte ich hier dringend rezensieren, bevor ich mich bis zum neuen Jahr verabschiede, und zwar eines über Youtube und seine Geschichte. Der Autor, Mark Bergen, hat sich über Jahre mit den Geschäftspraktiken von Google und Youtube beschäftigt und daran, wie jung er auf seinem Autorenfoto aussieht, kann man erkennen, wie alt man selbst ist, wenn man 35 Jahre IT auf dem Buckel hat. Youtube gab es überhaupt nur im letzten Drittel meiner beruflichen Laufbahn, man mag es kaum für möglich halten.
Bergen hat das Entstehen und Werden von Youtube von den ersten Tage an verfolgt. Und hat das Unternehmen auch dann nicht aus den Augen gelassen, als es im Google-Imperium unterzugehen drohte.
Was das Buch vor allem auszeichnet, ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Rolle der Creators, also derjenigen, die regelmäßig professionelle oder semiprofessionelle Inhalte, die eigens für Youtube aufgenommen werden, erschaffen. Außerdem hat er sich mit der zwiespältigen Situation befasst, die sich ergibt, wenn etwas wie Youtube (und Facebook und Twitter) nicht als Medium betrachtet wird, sondern als Plattform mit dem Anspruch, mit den Inhalten nichts zu tun zu haben.
Um Content ranken sich zunehmend Konflikte, und um die geht es hier auf vielen Seiten. Das zeigen die unzähligen Menschen, die sich heute mit dem Entfernen unzulässiger oder auch nur missliebiger Inhalte etc befassen, aber auch die Willkürakte eines Elon Musk, der kritische Journalisten einfach von seiner Plattform verbannt. Das alles demonstriert, was heutige digitale Groß-Plattformen tatsächlich von öffentlich-rechtlichen Medien unterscheidet: Die einseitige Ausrichtung an Gewinninteressen, ein Fehlen der Orientierung an Gemeinwohlkriterien und den Hang, Kritik am eigenen Tun durch Abschalten mundtot zu machen. Das Buch liefert jede Menge Gründe, sich mitnichten von öffentlich-rechtlichen Medien und klassischen Medienverlagen zu verabschieden: Filter werden nämlich nach wie vor gebraucht, und wenn nicht sie, dann wenigstens Handreichungen, die den Machern und Konsumenten digitaler Medien (beides ist ja oft genug dasselbe) helfen zu erkennen, was nützliche oder wenigstens unterhaltsame Information ist und was nur dazu dient, Unwissen, Fake-Informationen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Oder dazu zu erkennen, wozu all dies nötig ist. Nämlich dazu, unsere Demokratie und damit den Garanten für unser alle freie Entfaltung weiterhin funktionsfähig zu erhalten.
Bibliographie: Mark Bergen: YouTube. Die globale Supermacht. Wie Googles Videoplattform unsere Weltsicht dominiert. Gebunden, 543 Seiten. Droemer-Verlag, München, deutsche Erstausgabe 2022. ISBN 978-3-426-27849-9, 24,70 Euro.
Übrigens: Bücher kauft man in der Lieblingsbuchhandlung um die Ecke. Die ist immer für Sie da, sorgt für Atmosphäre, wo Sie leben und schafft lokale Arbeitsplätze.

Bits@Bäume in Berlin

Zum zeiten Mal findet derzeit die Bits&Bäume in Berlin statt. Die Tagung vereint die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit und wird vorwiegend von Studenten und anderen Freiwilligen, zum Beispiel aus Umweltverbänden, organisiert. Die erste B&B fand 2018 statt, dann kam Corona, und jetzt geht es weiter. Veranstaltungsort ist die TU Berlin. Wer Details wissen will: Die Tagung wird live gestreamt und hat einen Blog, der von überall auf der Konferenz ausschwärmenden RedakteurInnen sofort gefüllt wird. Hier deshalb nur einige Beobachtungen am Eröffnungsabend.
Auch die offizielle Politik war, vertreten durch zwei Staatssekretärinnen, auf dem Eröffnungspodium präsent. Neben viel Fundamentalkritik an der unhaltbaren globalen Ungerechtigkeit, die durch Digitalisierung anscheinend nach aktuellen Befunden eher befördert als ausgeglichen wird, gab es substantielle News für die Branche: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat endlich bei der Deutschen Rohstoffagentur und dem Umweltbundesamt ein Projekt begonnen, das sich mit der Erforschung und Entwicklung von Recyclingmöglichkeiten für die vielen Stoffe beschäftigt, die in ITK-Geräten stecken, aber nicht rezykliert werden. Rezykliert werden in Europa nur vier Prozent der kritischen Rohstoffe. Das soll sich ändern, dafür gebe es „tolle neue Technologien“. Andere Initiativen laufen auf EU-Ebene, zum Beispiel eine neue Designrichtlinie, die beispielsweise Mindestzeiten vorschreiben soll, in denen Ersatzteile für Elektronikgeräte vorgehalten werden müssen.
Ändern sol sich auch, dass es bislang, wie die Vertreterin des Ministeriums zerknirscht zugibt, erst ein bundeseigenes Rechenzentrum gibt das nach den Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren arbeitet. Bisher war nämlich der Erfolg der Zertifizierung sehr überschaubar. Damit sich das Projekt endlich zum Erfolg entwickelt, werden jetzt die Kriterien überarbeitet, und die Beschäaffungsämter des Bundes sollen in Zukunft bei der Beschaffung neuer RZ-Ressourcen diese Kriterien auch selbst einzuhalten, sofern es entsprechende Angebote auf dem Markt gibt.
Sehr umstritten ist dabei das Thema Abwärmenutzung.
In der neuen Energieeffizienzverordnung, an der derzeit gearbeitet wird, soll den Rechenzentren für den Anfang 30 Prozent Abwärmenutzung auferlegt werden – und dann jedes Jahr zehn Prozent mehr. Damit das klappt, müssen Bundes- und Landesregierungen ebenfalls ihre Hausaufgaben machen. Zum Beispiel regulieren, dass vorhandene Wärmenetze nicht nur genutzt werden können, sondern müssen (Anschluss- und Benutzungszwang), wer nicht vorhandene Leitungen bezahlen soll, die rechliche Behandlung von Wärmepumpen zur Energieanreicherung lauwarmer Abluft und so weiter.
Gleich gehts weiter: Wer mehr wissen will, guckt in den Bits&Bäume-Livestrom oder liest den Blog (Links siehe oben).
Leider gibt es auch eine schlechte Nachricht aus der Welt der nachhaltigen IT: Wie die schweizerische Computerworld meldete, stellt die erst 2021 gegründete Prime Computer Ende Oktober wegen Schwierigkeiten mit Finanzierung und Lieferkette den Betrieb ein. Prime wollte nachhaltig sein und nur Geräte aus 100 Prozent rezyklierten Rohstoffen bauen. Hoffentlich wird das Unternehmen noch gerettet, oder es findet sich bald ein Nachfolger!

Nachhaltige IT im Mai: Der Blaue Engel für Rechenzentren in der Renovierung (und andere kleine Fortschritte)

Der Mai bringt einiges auch nachhaltigkeitspolitisch Interessante. Zum Beispiel läuft ein Prozess, der den Blauen Engel für Rechenzentren erneuern soll. Rechenzentren sollen, falls der Entwurf durchkommt, jetzt beispielsweise ihre Abwärme nutzen – freilich vorerst nur in den eigenen Räumlichkeiten. Mal sehen, ob sich das durchsetzen lässt. Der Konsultationsprozess hat ja eben erst begonnnen. Wer sich einbringen und die Kriterien kommentieren will, der kann dies hier tun. Kriterienliste links, die Kriterien einzeln anklicken, dann erscheint eine nähere Beschreibung mit Kommentierungsmöglichkeit.
Weiter kommen die sogenannten KI-Prozessoren langsam in die Puschen. Das sind Prozessoren, mit denen das Anlernen von neuronalen Netzen beschleunigt wird. Gleichzeitig sind diese Architekturen weitaus weniger energieverschwenderisch als das, was wir heute dafür verwenden. Im Leibniz-Rechenzentrum wird gerade so etwas von Cerebras . Auf der Website der Firma kann man dieses Rechenwunden in der Größe eines Teetabletts bestaunen.
Und Nachhaltigkeit wird zum Top-Thema auch in der geschäftlichen Software. Ein Beleg dafür: Die Software AG, die mit dem ARIS-Toolset eine der Top-Lösungen für Prozessanalyse und -planung anbietet, erweitert ihre Lösung um ein Nachhaltigkeitsmodul: ARIS for sustainability.
Kurz: Es tut sich was. Fragt sich, ob schnell genug.

Endlich: Nachhaltige IT professionell erlernen können!

Es war Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, als ich in Bonn zum ersten Mal an einer Konferenz zum Thema „Informatik und Umwelt“ teilnahm und darüber einige Artikel schrieb – für das Elektronik Journal und das Umweltmagazin, die im längst nicht mehr autonom existierenden Europa Fachpresse Verlag herausgegeben wurden.
Kaum 40 Jahre und unzählige Artikel (natürlich von ganz vielen Leuten, nicht nur von mir) und Konferenzen und grüne Feigenblättchen später geschieht das Wunder: Die erste deutsche Universität begründet einen Studiengang, der beide Themen, Informatik und Nachhaltigkeit, ENDLICH! Zusammenbringt.
An der Universität Würzburg entsteht der Studiengang „Informatik und Nachhaltigkeit“. Initiiert wurde er von Tobias Hoßfeld, wie das Greenpeace-Magazin in seiner aktuellen Ausgabe berichtete.
Auf der Website des Studiengangs finden sich alle wichtigen Infos. Nach dem Erwerb von Grundkenntnissen in beiden Bereichen (IT und Nachhaltigkeit) können sich die Studierenden entweder auf „nachhaltige IT“ oder „IT für die Nachhaltigkeit“ spezialisieren. Während ersteres effizientere Systeme, Architekturen und Algorithmen bedeutet, meint zweiteres die klassische Umweltinformatik, also den Einsatz digitaler Technik, um mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu realisieren.
Außerdem gibt es mögliche Vertiefungsschwerpunkte in Biologie, Kartografie und Fernerkundung. Schließlich können Studierende anderer Fachrichtungen, z.B. der Informatik, Luft- und Raumfahrt den Bereich „Nachhaltige IT“ als Vertiefungsfach wählen. Einen Master-Studiengang für Informatik und Nachhaltigkeit gibt es noch nicht, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.
Mein Glückwunsch an Tobias Hoßfeld und die Uni Würzburg dafür, endlich diesen längst überfälligen Schritt unternommen zu haben. Und meine besten Erfolgswünsche für die hoffentlich hartnäckigen, ideenreichen und in Sachen Umweltschutz unnachgiebigen Berufstätigen, die aus diesem Studium hoffentlich erwachsen werden. Die Welt braucht Euch. Dringend!

Die Uni Würzburg ist nicht der einzige Ort hierzulande, wo man erkennt, dass IT entweder nachhaltig sein und wirken muss oder gar nicht. Das Hasso Plattner Institut veranstaltete erst kürzlich eine Tagung zum Thema Nachhaltige Softwareentwicklung (die Aufzeichnungen sämtlicher Vorträge finden sich hier) und stellte auf dieser einen kostenlosen zweiwöchigen Online-Kurs (Aufwand pro Woche laut Website: 2-6 Stunden) zum Thema nachhaltige Softwareentwicklung vor. Wer sich damit befassen möchte, sollte Grundkenntnisse in Python-Programmierung mitbringen. Auf diesen Gedanken sind bis heute (7.4.2022) bereits mehr als 2000 Interessierte gekommen, und es dürfen wohl ruhig noch mehr werden.

Nachhaltige IT: Plötzlich ein Topthema

Wenn ich mich erinnere, wie schwer es das Thema Green IT lange hatte, dann hat sich spätestens im laufenden Jahr eine Art Zeitenwende vollzogen. Sogar ins Regierungsprogramm hat es Green IT geschafft, allerdings nur im Umfang eines einzigen sieben- oder achtzeiligen Absatzes. Jedenfalls ist es inzwischen sehr viel leichter, entsprechende Themen unterzubringen. Über „grüne“ Themen konnte ich im laufenden Jahr einen sehr ausführlichen Text zum Thema IT-Entsorgung in KMUs im IT-Administrator unterbringen. FÜrs kommende Jahr, in dem eine Green-IT-Sonderausgabe im iX-Verlag erscheinen wird, habe ich bereits vorgearbeitet – freuen Sie sich auf viele interessante und spannende Artikel in dem Heft (natürlich auch von vielen anderen AUtor*Innen) und halten Sie im Frühsommer die Augen offen!
Am meisten konnte ich aber in datacenter insider zu meinem Lieblingsthema publizieren. Beispielsweise dazu, warum es mit dem Gleichstrom im Rechenzentrum noch nicht flutscht, wie man Rechenzentren sinnvoll ins Stromnetz integriert und warum es noch eine Weile dauern wird, bis Rechenzentren wirklich klimaneutral werden – ohne Snstrengung wird das nicht funktionieren! Und auch was die Digitalisierung tatsächich zum Klimaschutz beiträgt, war Thema eines Berichts. Wie offene Hard- und Software zur IT-Nachhaltigkeit beitragen soll, davon gab es beim OCP Summit 2021 viel zu hören. Und auch im nächsten jarh gibt es hoffentlich viele Gelegenheiten, grüne Themen auf der Plattform zu publizieren.
Nachhaltige IT muss sich leider aus persönlichen Gründen für mindestens einige Monate verabschieden. Aber Pausen haben ja noch niemand geschadet. Im nächsten Sommmer geht es hoffentlich weiter! Ihnen einen erholsamen und corona-freien Rutsch in ein gutes, grünes Jahr 2022! Ihre Ariane Rüdiger

Der Anfang vom Ende von Facebook wie wir es kennen

Gestern war ein großer Tag. Er wird in die Geschichte der IT eingehen: Die Whistleblowerin Frances Haugen sagte vor einem Senatsausschuss aus, der sich mit Jugendschutz in den sozialen Medien, insbesondere Facebook
beschäftigt.
Ihr Vorwurf: Facebook wisse aufgrund inhouse durchgeführter Forschungen sehr genau, dass seine Empfehlungsmechanismen so konstruiert sind, dass die durch diese Algorithmen bevorzugt präsentierten Inhalte soziale Schäden verursachte. Sie führen laut dazu, dass junge Frauen ihre Körper verabscheuen, Anorexie bekommen, dass Ethnien zum Rassenhass aufgestachelt werden und Gewalt ausgeübt wird. Dies deshalb, weil extremere Inhalte besser klicken und weil alle Mechanismen verhindert werden, die die rasante Ausbreitungsgeschwindigkeit von News hemmen könnten. Außerdem spreche Facebook gezielt Kinder unter 13 Jahren an. Zudem seien die eingesetzten AI-Algorithmen zur Erkennung Minderjähriger und gefährlicher Inhalte nicht effizient. Sie würden nur etwa 20 Prozent der Kinder erkennen, deren Accounts dann gelöscht werden. Algorithmen zur Erkennung gefährlicher oder gewalttätiger Inhalte würden, wenn überhaupt, nur in wenigen Ländern respektive Sprachbereichen eingesetzt. Facebook tue auch bewusst viel zu wenig dagegen, dass über die Plattform von anderen Staaten Spionage zu Lasten der USA betrieben wird. Kurz: Facebook vermeide jeden Mechanismus so weit wie möglich, der den Gewinn verringern könnte. Haugen: „Das Unternehmen wird von Metriken gesteuert, nicht von Menschen.“ Ethische Überlegungen spielten bei der Ausgestaltung des Geschäftsmodell und der Algorithmen die geringstmögliche Rolle, Kontrollmechanismen würden nur dann aktiviert, wenn dies absolut unvermeidlich sei, beispielsweise kurz vor den US-Wahlen. Nach den Wahlen seien diese sofort wieder deaktiviert worden, was eine der Ursachen für den Erfolg der Aufrufe zur Erstürmung des Kapitols am 6. Januar gewesen sei.
Dies alles geschehe beziehungsweise geschehe nicht, weil Facebook durch wirksamere Maßnahmen zur Verhinderung sozialer und politischer Schäden mit weniger Wachstum bezahlen müsste. Facebook stelle Gewinn grundsätzlich über alle Anliegen, und dies liege vor allem an Mark Zuckerberg, der die letzte Instanz bei allen wichtigen Entscheidungen von Facebook sei.
Haugen fordert eine Regulierung, die Facebook und Big Tech insgesamt zwingt, Rohdaten sowie Algorithmen und hausinterne Forschung transparent zu machen. Das werde von einigen Big-Tech-Firmen teilweise bereits getan. Weiter fordert sie eine staatliche Regulierungsbehörde, die mit Algo-Spezialisten besetzt wird und tatsächlich beurteilen kann, wie die Algorithmen arbeiten. Grundsätzlich müsse man sich vom empfehlungsbasierten Algo-Ranking verabschieden und Inhalte anders, beispielsweise chronologisch, präsentieren, um negative Auswirkungen, wie sie sich bei Facebook-Nutzern zeigen, zu verhindern. Haugen zu den Senatsmitgliedern: „Die Tabakindustrie wurde stark reguliert, weil einer von zehn Rauchern Krebs bekommt. Aber zwei von zehn jugendlichen Facebook-Usern bekommen seriöse psychische Probleme. Das ist intolerabel. Sie müssen handeln!“ Haugen zitierte auch Daten, nach denen 13 Prozent der britischen und sechs Prozent der US-amerikanischen Selbstmordgefährdeten den Ursprung ihrer Selbstmordgedanken bei Instagram verorten.
Es scheint, dass das Maß der Toleranz bei aller Präferenz für möglichst unumschränkte Meinungsfreiheit in den USA langsam voll ist. Der zuständige Ausschuss, der sich diesmal lediglich mit Themen rund um den Jugendschutz befasste, ist überparteilich besetzt. Weitere Themen – nämlich das fehlende Vorgehen gegen politische Manipulation und Spionage sowie die unumschränkte Marktmacht des Riesen, zu dem auch der Messengerdienst WhatsApp und der Foto/Film-Sharing-Dienst Instagram gehören, wurden nur angerissen und sollen in separaten Hearings vertieft werden.

Fazit

Es scheint, als würde man auch in den USA endlich wach, wo die Tech-Riesen ja ansässig sind. Infolgedessen kann sie auch nur die dortige Regierung regulieren. Deshalb ist das, was jetzt dort passiert, von äußerster Bedeutung. Die anderen Großen hören die Glöckchen anscheinend schon läuten. So hat Youtube vor kurzem mehr als 100.000 Filme gelöscht, die Falschinformationen übers Impfen enthielten. Hoffentlich war auch der Schmarrn, mit dem QAnon die Welt verunsichert, darunter. Wer weiß: Vielleicht trägt eine konsequente Regulierung und gegebenenfalls Aufspaltung der Social-Media-Giganten mehr dazu bei, dass die Welt sich endlich mit ihren realen (z.B. Klimawandel, Armut) Problemen befasst statt mit aufgebauschtem Unfug wie den derzeit im Schwange befindlichen Verschwörungstheorien und anderem medial aufgeblähten Unsinn. Wer weiß, vielleicht ist Facebook in einem Jahr nicht mehr die Dreckschleudermaschine, die wir kennen.

Brennstoffzellen statt Batterien? Ein Buch zum Thema Wasserstoff

Seit kurzem beginnt sich die IT-Branche sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sie trotz überragender infrastruktureller Bedeutung ihr Scherflein wird zur Nachhaltigkeit beitragen müssen. Und dass es dabei wohl mit einer niedrigen PUE nicht getan ist. Sondern weitere Taten nötig sind.
Gleichzeitig hört man auf einschlägigen (virtuellen) Kongressen immer wieder die Begriffe Wasserstoff oder Brennstoffzelle. Beides soll letztlich in bestimmten Bereichen die bislang üblichen USVs mit wahrlich nicht sehr umweltfreundlichen Batteriebänken überflüssig machen. Und man kann wohl davon ausgehen, dass die wenigsten IT-Infrastrukturspezialisten sich mit der Wasserstoff-Thematik vertraut gemacht haben.
Da Wasserstoff- (erzeugt aus grüner elektrischer Energie, selbstverständlich) getriebene Brennstoffzellen möglicherweise schon sehr bald als Alternative zu Batterien auftauchen werden, ist es also durchaus empfehlenswert, dazu mal etwas zu lesen, das mehr ist als Werbung von Startups. Hier empfiehlt sich ein Band aus dem Hydrogeit-Verlag. Diesen Verlag Sven Geitmann, ein erfahrener Fachjournalist, gegründet, um ihn ganz speziell dem Thema Wasserstoff zu widmen.
Im Hydrogeit- Verlag ist ein umfassender Einführungsband über Wasserstoff erschienen, der von der Historie über die Gewinnung, die Verarbeitung, den Transport, die Anwendung, ökonomische Aspekte und Sicherheitsmaßnahmen alles zusammenfasst, was man so über Wasserstoff wissen sollte. Geschrieben haben ihn Sven Geitmann und Eva Augsten, Fachjournalistin für Renewables.
Wer sich in Chemie nicht auskennt, wird vielleicht manchmal etwas nachlesen müssen, denn die Arbeit einer Brennstoffzelle und die Gewinnung von Wasserstoff sind nun einmal chemische Prozesse, aber das macht nichts. Wegen des inhaltlichen Rundumschlags und einer übersichtlichen Gliederung eignet sich das Buch auch gut als Nachschlagewerk. Zum Beispiel, um sich rückzuversichern, was grüner, blauer, grauer oder türkiser Wasserstoff ist, wie hoch die Wirkungsgrade sind und welche Arten von Brennstoffzellen es gibt.
Lobenswert ist auch die Aktualität der Veröffentlichung, die in der aktuell erschienenen 4. Auflage Entwicklungen aus dem Jahr 2020 noch verarbeitet. Gerade weil sich das Buch zum Nachschlagen eignet, hätte ich mir allerdings einen festen Einband gewünscht, weil der einfach langsamer zerfleddert.
Rechenzentrumsanwendungen kommen in dem Text übrigens (noch) nicht explizit vor, aber das mag daran liegen, dass dieses Thema wirklich erst am Entstehen ist. Doch in einer Zeit, in der sich Aldi und Rewe freiwillig (wenn auch sehr langsam) vom Quälfleisch verabschieden und ein renommierter Formen-1-Fahrer grün wählt, sollte es einen nicht wundern, wenn schon in einigen wenigen Jahren die ersten RZs mit (natürlich grünem!) Wasserstoff und Brennstoffzellen reservegepowert würden statt mit Lithium-Batterien. Schließlich rückt das Jahr 2030, in dem Deutschland bereits 65 Prozent seiner Kohlendioxidausstöße kompensiert haben will, unaufhörlich näher.
Nachhaltige-IT verabschiedet sich jetzt bis Oktober in eine lange Sommerpause. Denn der beste Umweltschutz besteht ganz einfach darin, nichts zu tun. Mit einem guten Buch auf der Wiese an einem nahegelegenen See, Bach oder Teich zu liegen, erzeugt wenig Kohlendioxid und noch dazu jede Menge gute Laune.
In diesem Sinne verabschiede ich mich bis zum Herbst und wünsche allen Leser*Innen Ähnliches.
Bibliographie:
Sven Geitmann, Eva Augsten: Wasserstoff und Brennstoffzellen. Die Technik von gestern, heute und morgen. Broschiert, 239 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen. Hydrogeit-Verlag, Oberkrämer, 2021. ISBN 978-3-937863-51-1. 17,90 Euro.

Kohlendioxid-Sparen durch Videokonferenzen, KI und Second Use, und noch eine Seite über Fliegen und Umwelt

In der Zeit zwischen dem letzten Post und heute gab es einige interessante Entwicklungen. In der Zeit zwischen dem letzten Post und heute gab es einige interessante Entwicklungen. Beispielsweise befasste sich das Borderstep-Institut zusammen mit dem verkehrsmittelneutralen Verkehrsverband VCD mit der Frage, in welchem Umfang Videoconferencing den Kohlendioxid-Ausstoß verringern könnte. Es wird auch höchste Zeit, dass irgendwo ein positiver Klimabeitrag der IT sichtbar wird, denn Borderstep ermittelte ebenfalls, dass der Kohlendioxid-Ausstoß deutscher Rechenzentren 2020 um eine Milliarde Tonnen auf nunmehr 16 Milliarden Tonnen angestiegen ist. Freilich sicher nicht trotz, wie Borderstep vermutet, sondern wegen Corona und den damit verbundenen vermehrten Digitalaktivitäten.
Wie siehts also nun aus mit den verkehrsbezogenen Kohlendioxideinsparungen durch Videokonferenzen? Dazu gibt es ein Fachtsheet als PDF mit den wichtigsten Zahlen als Download. Hier nur das Wichtigste: Drei Millionen Tonnen Kohlendioxid und 700.000 PKW könnten rechnerisch brutto eingespart werden. Also dreimal so viel wie der Kohlendioxid-Ausstoß der Rechenzentren im Jahr 2020 zugenommen hat. Wenn die Rechnung denn stimmt.
Denn es gibt erhebliche Rebound-Potentiale – etwa den Drang, sich wegen Enge im Home-Office eine größere Wohnung zuzulegen. Bilanziell könnten laut Borderstep/VCD 1,5 Millionen Tonnen Einsparung übrigbleiben, was abzüglich des vermutlich auf vermehrte Digitalaktiven zurückzuführenden Mehrverbrauchs der Rechenzentren im Jahr 2020 letztlich nur noch 500 Millionen Tonnen Einsparung übrig ließe. Was zeigt, dass wir noch viel mehr Verrhaltensänderung und Regulierung brauchen, um den Planeten lebbar zu halten.
Der Branchenverband BITKOM fragte zudem nach, wie sich der Alltag durch Corona digitalisiert habe ((https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-sorgt-fuer-Digitalisierungsschub-in-deutschen-Haushalten)). Ein Ergebnis: Digitalisierung hat während der Pandemie überall geholfen, in der Arbeit wenig überraschend am meisten, gefolgt von Kommunikation mit Familie und Freunden und so ziemlich jedem anderen Lebensbereich. Nicht kommuniziert (und vielleicht auch nicht gefragt) wurde aber, ob die Nutzer den hohen Digitalisierungsgrad bei der privaten Kommunikation über die Pandemie hinaus aufrecht erhalten möchten. Das wäre interessant gewesen (die Ergebnisse hätten aber wohl die herrschende Digitaleuphorie relativiert).
Auch eine andere Studie sieht digitalen Segen für das Klima heraufdämmern: Diesmal geht es um KI. KI-basierte Maßnahmen könnten, so eine Studie von Capgemini Research International Institute, das, was laut dem Paris-Abkommen an CO2-Ausstoß erreicht werden muss, zu 11 bis 45 Prozent zu erreichen. Das meinten die befragten 400 Nachhaltigkeitsverantwortlichen und 400 Business-/Technologiemanager sowie 300 Nachhaltigkeistexperten und 40 weitere Experten. Die letzten Gruppe nahm an Tiefeninterviews teil. Dabei fällt vor allem die Spannbreite auf und damit die Unsicherheit der Gesamtprognose. Die Befragten gaben zudem an, in ihren Unternehmen in den letzten beiden Jahren den Treibhausgasausstoß bereits um 13 Prozent reduziert zu haben. Derzeit allerdings werden KI und Klimaschutz in den Unternehmen noch selten aufeinander bezogen.
Ein immergrünes Thema ist Sekundärnutzung von Elektronik und digitalen Geräten. Das gibt es schon länger, aber irgendwie ist das Thema nie so richtig abgehoben in der öffentlichen Wahrnehmung. Wahrscheinlich, weil hier die PR- und Werbebudgets wegen enger Margen nicht so freigiebig verteilt werden. Jedenfalls: Jetzt tritt mit Backmarkets wieder mal ein Anbieter an, der relativ kräftig investiert und trommelt. Vielleicht wirkt ja hier das hoffentlich steigende Umweltbewusstsein irgendwie förderlich. Back Market funktioniert als Plattform: Sie vereinigt 1500 Händler weltweit, die wiederaufbereitete Elektronik mit 36-Monats-Garantie und 70 Prozent billiger anbieten. Fragt sich, was die Werkstätten verdienen (wahrscheinlich nicht viel). Die Plattform nimmt gebrauchte Geräte an und verrechnet sie mit einem dort gekauften Refurbished-Gerät. Fragt sich, was die Werkstatt verdient. Anfrage läuft. Infos über Fliegen und Klimaschutz in digitaler Form gibt es auf dieser Website
Und zum Schluss: Infos über Fliegen und Klimaschutz in digitaler Form gibt es auf dieser Website des Umweltinstituts. Vielleicht mal lesen, bevor man sich panikartig ins Mallorca-Gewühle transportieren lässt, um dort fleißig an der Erzeugung von Corona-Mutanten mitzuwirken.

Im Februar: Ethik-Regeln und ein nachhaltiger RZ-Verband

Der Januar ist in Lockdown-bedingter Trägheit tatenlos dahingeflossen. Müde hangelt man sich von Webkonf zu Webkonf und hat so recht zu gar nichts mehr Lust. Doch das wird jetzt anders! Im Februar möchte ich der Nachhaltigen-IT-Gemeinde vor allem zwei interessante News verkünden: Angesichts der wohl unausweichlich bevorstehenden Regulierung der Rechenzentrumsbranche mit dem Ziel, sie umweltfreundlicher und nachhaltiger zu machen, reagiert die Branche nun. Ein neuer Verband wurde gegründet mit dem expliziten Ziel, europäische Rechenzentren nachhaltiger zu machen. Die Hintergründe und Inhalte der Verbandsarbeit habe ich für datacenter-insider.de bereits gründlich beleuchtet, deshalb nur der Verweis auf den dortigen Artikel.
Und zweitens hat die International Federation of Information Processing (IFIP), also der internationale Dachverband der Informatiker, sich einen Ethik-Code of Conduct verpasst. Wurde auch höchste Zeit, denn die Digitalzauberer haben heute wahrlich mehr Macht als ihnen gut tut, zumindest dann, wenn sie über diese Tatsache nicht reflektieren.
Nun also ist ein Ethik- und Verhaltenskodex für Informatiker erschienen. Die Hardwarehersteller haben Derartiges bereits 2018 verfasst. Die Regeln der IFIP lehnen sich an den Code der ACM an.
Hier sollen nicht alle Regeln wiedergegeben werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass in beiden Regelwerken das Gemeinwohl (nicht der Firmengewinn oder der technische Fortschritt) den obersten Wert darstellt. Eher unterbelichtet sind Verpflichtungen der natürlichen Umwelt gegenüber, sie werden nur kurz erwähnt, aber nicht ausbuchstabiert, was klar macht, dass dieses Thema in seinen Implikationen noch immer grausam unterschätzt wird.
Es geht viel um Respekt vor den Mitmenschen und Diskriminierungsfreiheit, Datenschutz, Privatsphäre und Vertraulichkeit, ein humanes Arbeitsleben und Ähnliches. Um einen expliziten Passus zur Geschlechtergerechtigkeit hat man sich (außer der Erwähnung des Geschlechts in der Nichtdiskriminierungsregel) gedrückt. Besonders erwähnt werden IoT-Systeme („Systeme, die in gesellschaftliche Infrastrukturen integriert werden“) wegen ihres hohen Risiko- und Schadenspotentials.
Und Whistleblower werden mehr oder weniger allein gelassen. Wer davon träumt, dass derjenige, der Regeln bricht, um Unrecht oder Schaden zu verhindern, automatisch geschützt wird, sieht sich enttäuscht.
Fazit: Der Code ist ganz sicher besser als nichts, hat aber einige tote Winkel. Es wird an zukünftigen Informatiker-Generationen liegen, ihn zukunftstauglich weiterzuentwickeln.

Im Dezember viele Hoffnungen auf eine grünere IT, aber auch viele offene Fragen

Am Ende des Jahres gab es nochmal ein Feuerwerk der guten Laune, was IT und das „grüne Thema“ anging. Nicht nur, dass mehrere internationale IT-Konferenzen die grüne Thematik nach ganz oben hoben. Beispiele sind die Rechenzentrumskonferenz Datacenter Dynamics Europa 2020 (Überblicksbericht hier oder der weltweite OCP-Summit (Berichte hier allgemein und hier zum Thema Immersionskühlung .
Auch in Deutschland wurde das Thema „Nachhaltige IT“ plötzlich regierungsrelevant und zum Motto des Digitalgipfels (Überblicksbericht hier). Dort treffen sich schon seit vielen Jahren die Obersten der Branche, Politik einschließlich Kanzlerin und Presse, um zu beschwören, dass Europa in Sachen IT endlich der Anschluss zur Weltspitze gelingen muss. Dieses Mantra wiederholt sich seit etwa 20 Jahren, und auch das Versprechen, dass Europa dank IT ganz schnell grün werden soll, ist immer wieder zu vernehmen, wurde aber bisher niemals eingehalten.

Der Druck steigt

Dennoch ist der Druck jetzt mächtig angestiegen – auf der einen Seite schieben die anspruchsvolleren Klimavereinbarungen der EU, auf der anderen die Anwender, die nun plötzlich von ihren Kolokateuren umweltfreundliches Verhalten verlangen, wie eine Studie von 451 Research im Aufrag von Schneider Electric belegt oder Städte wie Frankfurt, das nicht bereit ist, noch mehr Strom in Rechenzentren fließen zu lassen, weil die anderen auch noch etwas Saft brauchen. Oder Amsterdam, wo neue RZs jetzt Abwärmenutzung nachweisen müssen.
Dazu kommen neue Technologien, vor allem Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen, samt leistungsfähigerer Prozessoren. Damit lassen sich Daten massenweise erheben und viel gründlicher analysieren als das bisher gelang. Hinweise, was sie nützen könnten, finden sich beispielsweise in einer aktuellen Studie von Cap Gemini.
Alles soll im Grunde mit allem vernetzt, dadurch jedes Fitzelchen Information geerntet, ausgewertet und dazu benutzt werden, Ineffizienzen und damit Energie- und Materialverschwendung aus allen möglichen Prozessen zu verbannen. Beispielsweise aus der Produktion, dem Verkehr, der Gebäudesteuerung und so weiter. Auch das berühmte Smart Grid wird ohne IT nicht funktionieren. Dazu wird versprochen, dass Tierwanderungen verfolgt, Verschmutzer dingfest gemacht und Wetterprognosen für die Landwirtschaft genauer gestaltet werden sollen.
Massenweiser IT-Einsatz als einziger Weg zur Nachhaltigkeit?
Alles zusammengenommen, sieht die Branche sich und die von ihr entwickelten Tools als die einzige Chance, Wirtschaft und Gesellschaft irgendwie nachhaltig zu machen. So verkündete der Branchenverband Bitkom, dass nach einer aktuellen Studie die IT, richtig eingesetzt, nahezu die Hälfte der nötigen Kohlendioxid-Reduktion schaffen werde.
Der Rest soll dadurch kommen, erklärte auf dem Digitalgipfel ein Verbandsverteter, dass alle Produkte und Dienstleistungen (digital abrufbare?) Informationen über ihre Klimawirkungen bekommen, und sich die Verbraucher ganz selbstverständlich die aussuchen, die weniger Kohlendioxid erzeugen. Aha. Das könnten sie auch heute schon, zum Beispiel im Bioladen. Sie tun es aber nicht, jedenfalls nicht mehrheitlich. Das erzeugt Zweifel an dieser Idee. Hoffentlich entpuppt sich die Vorstellung vom Allheilmittel IT nicht irgendwann als derselbe Irrtum wie der des Schreiners, der alles durch das Hereinhauen von Nägeln reparieren wollte, nur weil er zufällig einen Hammer hatte.
Die Politik jubelt also angesichts der potentiellen Chance, Wachstum und Ökologie dank Digitalisierung irgendwie unter einen Hut zu bringen, muss aber die Reboud-Effekte weltweit in den Griff kriegen. Man kann ja nicht von Ökonomien anderswo erwarten, dass sie das Wachstum einstellen, obwohl sie viel weniger pro Kopf verbrauchen und weniger Abfall erzeugen als wir (oder uns unseren abnehmen) und wir gleichzeitig weiter wachsen.
Wie das gelingen soll, ist noch unklar, aber immerhin scheint man langsam zu begreifen, dass die führenden Ökonomien hier auf die Nachholer Rücksicht nehmen müssen. Regulierung ist also notwendig, wahrscheinlich darf es davon eher etwas mehr sein, wenn wir ernsthaft vorankommen wollen. Und obenan steht dabei ein kontinuierlich steigender, happiger Kohlendioxidpreis auf alles und jedes, gekoppelt mit Kompensationszahlungen an die ärmeren Bevölkerungskreise. Der jetzige Preis (25 Euro ab 2021 pro Tonne) ist da bestenfalls ein kleiner Anfang. Sonst kann man das Thema getrost vergessen.

Und das Recycling?

Nach wie vor ungelöst bleibt die IT-Recyclingfrage, gerade, was die Funktionsmaterialien der IT angeht. Die sind oft in den Gerätschaften nur in Spuren vorhanden, und von Recycling kann man in Bezug auf sie nicht ernsthaft sprechen. Auf die während des Digitalgipfels gestellte Frage, wie es damit voranginge, wusste der derzeitige Chef von Zeiss in Jena, Herr Lamprecht, nur zu erwidern, es werde daran gearbeitet. Ob hierbei auch Erfolge zu verzeichnen sind, die über das Bisherige hinausgehen, sagte Lamprecht leider nichts, obwohl die Autorin per E-Mail nachhakte. Das geplante Recht auf Reparatur in der EU ist da ein kleiner Hoffnungsschimmer, denn die Müllberge wachsen dadurch langsamer. Das gibt den Wissenschaftlern Zeit, vielleicht doch noch ein paar schlaue Prozesse zu ersinnen, die das Recycling voranbringen.

Ansonsten kann man den Blick nur mit verdrehten Augen gen Himmel lenken, wo gläubige Geister schon immer Hoffnung und Inspiration suchen, teils auch ganz handfest. Wahrscheinlich sind das hektische Streben zu fernen Planeten und die erneute Besteigung unseres Trabanten ( ) auch darauf zurückzuführen, dass man hofft, auf diese Weise die zumindest mittel- bis langfristig lückenhaften Vorräte aufzufüllen. Das würde dann allerdings ziemlich teuer.
Wie dem auch sei: Ich wünsche allen, die ab und zu einen Blick in Nachhaltige IT werfen, ein frohes Fest und ein ebensolches Neues Jahr mit Impfung und ohne COVID-19 und hoffe, dass sie sich auch durch das derzeit etwas abgetakelte Design des Blogs nicht vom Nachlesen abhalten lassen. Denn das Thema Nachhaltige IT ist relevanter denn je.