In den vergangenen Wochen hate ich gleich doppelt, nämlich anhand zweier neuer Bücher, Gelegenheit, mich mit dem Thema „Big Data“ zu befassen. Zum einen, als mir ein gigantischer Umschlag mit einem genauso gigantischen Buch ins Haus flatterte: Bit Data heißt es und beschreibt in spektakulären Fotos von teuren, international angesehenen AutorInnen (meist aus den USA) was Big Data ist, kann und wo die Risiken liegen. Der Inhalt ist übersichtlich gegliedert: Ein zwei-bis vierseitiger Text aus der Hand einer/s erfahrenen Journalist/in am Anfang auf silbernem(!) Hintergrund beschreibt jeweils den Aspekt, um den es in dem Kapitel geht, dann folgen Fotografien und begleitende Texte – die Fotos in spektakulärer Qualität, die Texte zumindest interessant. Gesponsort wurde das Werk allen voran von EMC, aber auch Cisco, VMware, FecEx, Tableau und Originate, die beiden letztgenannten Firmen echte Big-Data-Spezialisten. Fundamentalkritik am Thema ist bei dieser Urheberschaft nicht zu erwarten, aber immerhin bekommt man interessante Infos. Immerhin wird in einigen Texten darauf hingewiesen, dass das massenweise Sammeln und Auswerten von Daten durchaus auch negative Effekte haben könne, beispielsweise größere Chancen im Bereich Cybercirme. Immer jedoch wird Big Data als unausweichlich hingestellt, was ich angesichts der Tatsache, dass es sich dabei nicht um einen Asteroiden, sondern eine menschliche E Erfindung handelt, etwas ärgerlich finde. Spaß machen auf jeden Fall die vielen opulenten Bilder und auch die Beschreibungen von Menschen, die mit Big Data verbunden sind. Übrigens ist das ganze Werk in Englisch, und mir ist unbekannt, ob „The Human Face of Big Data“ überhaupt im handel erhältlich ist. Falls dem so sein sollte, hier die Biographie; „The Human Face of Big data
Jennifer Erwitt, Rick Smolan: „The Human Face of Big data.“ Bildband, gebunden, 215 Seiten, in Englisch. ISBN 078-1-4549-0827-2, USA: 50 Dollar.
Ganz anders geht der österreichische Journalist Rudi Klausnitzer an das Thema heran. Sein Band ist etwa genau so lang, kommt aber ohne ein einziges Foto aus und beschreibt auf Deutsch alle wichtigen Aspekte, Anwendungsfelder und auch viele Projekte von Big Data. Anhand einprägsamer Beispiele macht Klausnitzer klar, was Big Data schon kann oder demnächst können soll und wie das unser aller Leben beeinflussen wird oder es heute schon beeinflusst. Wer einmal eines seiner Beispiele live erleben möchte, möge sich dieses Youtube-Video ansehen. Bei aller Begeisterung für die Technologie ist dieses Buch doch erheblich distanzierter und kritischer als das zuerst beschriebene und fordert vor allem ausreichenden Datenschutz für die von Big Data Betroffenen. Das sind dieselben Menschen, die heute ohne großes Nachdenken via Tablet, Smartphone, Kreditkarte und GPS eine immer breiter werdende Datenschleppe hinter sich herziehen, an der andere Leute später Geld verdienen, in der Regel, ohne den Urhebern der Datenflut etwas abzugeben und schlimmstenfalls sogar, ohne sie überhaupt zu fragen, ob sie diese Daten benutzen dürfen. Übrigens: Anonymisierte Daten dürfen nach heutiger Rechtslage auf jeden Fall verkauft werden. Wohl zutreffend kommt Klausnitzer am Ende seines Buches, das schon wegen der vielen Quellenhinweise lesenswert, aber auch einfach fesselnd ist, zu dem wenig überraschenden Schluss, dass, falls es Politikern, Bürgern und Interessenvertretern nicht gelänge, einen einigermaßen akzeptierten „New deal“ zum Thema Big Data mit ausreichendem Datenschutz für den Einzelnen zu realisieren (Eigentumsrecht an eigenen Daten, volle Kontrolle über den Gebrauch eigener Daten, das Recht, Daten endgültig zu löschen), habe das Thema trotz großer vorhandener Chancen für die Gesellschaft das Potential zur größten Bürgerrechtsauseinandersetzung des nächsten Jahrzehnts.
Und hier noch die biographischen Daten: Rudi Klausnitzer, Das Ende des Zufalls. Wie Big data uns und unser Leben vorhersagbar macht. Ecowin-Verlag, März 2013, ISBN 9-783711-000408, 21,90 Euro.