Rezension: Digitalpathologie

„Die digitale Falle“ von Larry Rosen, der sich Jahrzehnte lang mit den Auswirkung der Nutzung digitaler Technologien auf den Menschen beschäftigt, liefert die erste Digital-Krankheitslehre in Buchform. Rosen befasst sich nämlich damit, welche psychischen Störungen die permanente Nutzung digitaler Medien und der permanente Konsum digital vermittelter Informationen im Menschen auslösen oder verschärfen können und wie das aussieht. Den Gesamtkomplex solcher Störungen bezeichnet Rosen als iDisorder. Je nach Persönlichkeit und Nutzungseigenheiten könne eine iDisorder bei Menschen sehr unterschiedliche Formen annehmen, meint Rosen, die aber mehr oder weniger alle an bereits bekannte psychische Krankheiten erinnern. Deshalb geht Rosen in insgesamt zwölf Kapitel die wichtigsten möglichen Störungsmuster durch: beispielsweise Zwänge (permanente Kontrolle der digitalen Nachrichtenkanäle), Depressionen, schizoides Verhalten (Kontaktvermeidung zu realen Menschen), Narzissmus (sag mir, wie viele „Freunde“ Du hast, und ich sage Dir, wie toll Du bist) etc. Ganz nebenbei lernt man hier, was die jeweilige Störung mit oder ohne i-Anteil kennzeichnet. Rosen beschreibt dann die charakteristische Erscheinungsweise einer solchen Störung, wenn sie durch die überhöhte Nutzung digitaler Geräte hervorgerufen wird und liefert auch gleich Tests, anhand derer jeder feststellen kann, ob er oder sie sich schon am Rand des digital induzierten Wahns befindet oder noch in der Normalzone menschlichen Verhaltens.
Jedes Kapitel wird durch Hinweise zur Selbsthilfe, die wirklich jeder durchführen kann abgerundet – manchmal aber auch durch den ernsthaften Hinweis, einen professionellen Psychologen aufzusuchen, da das entsprechende Verhaltensmuster allein durch guten Willen und Kraftanstrengung erfahrungsgemäß nur selten verschwinde oder weil die beschriebene Kondition ein sehr ernsthaftes Risiko für den entsprechenden Menschen bedeutet.
Oft besteht die Selbsthilfe übrigens einfach darin, digitale Geräte zeitweise schlicht nicht zu nutzen, die Gesellschaft lebender Menschen zu suchen und sich in der Natur aufzuhalten – natürlich ohne eingeschaltetes Smartphone.
Rosen lehnt im übrigen digitale Medien nicht ab, das betont er immer wieder, sondern weist nur auf Probleme hin und gibt Hinweise, wie sie zu vermeiden sind. Deshalb empfiehlt sich die Lektüre allen IT- und Personalverantwortlichen, die sich ernsthafte Gedanken über die seelische Gesundheit ihrer IT-nutzenden Kollegen auf der Straße, im Büro oder Home Office machen und überhaupt für jedem, der von vorn herein verhindern möchte, Internet-, Smartphone- oder digitalmediensüchtig zu werden.

Bibliographie: Larry Rosen: Die digitale Falle. Treibt uns die Technologie in den Wahnsinn? Broschiert, 274 Seiten. Springer Spektrum Berlin Heidelberg 2013 ISBN 978-3-642-34874-7, 19,99 Euro.

Rezension: Offline

Offline! von Thomas Grüter befasst sich, so der Untertitel mit dem „unvermeidlichen Ende des Internets“ und dem „Untergang der Informationsgesellschaft“. Das ist natürlich ein Thema, das bei Nerds nicht unbedingt beliebt sein dürfte, aber dennoch interessant. Grüter ist Arzt und seziert die Informationsgesellschaft wie ein guter Pathologe bis auf ihre Bestandteile: Rechenzentren, Server, Speichersysteme etc. Die, so der einleuchtende Grundgedanke seines Buches, halten nicht ewig (wie etwa die Römerstraßen, die man teilweise noch heute benutzen kann), sondern höchstens ein, zwei Jahrzehnte, die neueste Eintagsfliege der Technologie, das Smart Mobile Device, sogar nur noch ein bis drei Jahre, ehe es wegen nicht mehr passender Software ausgetauscht werden muss. Das sei zum einen wegen des heraufdämmernden Ressourcenmangels und der Konzentration wichtiger Ressourcen in wenigen Händen, zum anderen wegen auf wenige Länder konzentrierten Fertigungskapazitäten der wichtigsten Komponenten, ein echtes Problem. Man stelle sich vor, in Südostasien fingen Nord- und Südkorea oder Japan und China an, aufeinander einzudreschen – schon wäre unter Umständen viel Hightech nicht mehr verfügbar, weil die dafür nötigen Komponenten auf den Märkten einfach nicht da wären und der Aufbau alternativer Fertigungsanlagen dauert. Können die kurzlebigen Systeme aber nicht schnell genug aktualisiert werden, wird das Internet im Lauf der Jahre löchrig und zerfällt am Ende. Auch dem mittlerweile immer stärker digitalisierten Wissen der Welt blüht im Fall einer länger anhaltenden Fertigungskrise Böses: Sobald das recht kurze Leben der digitalen Festplatte ausgehaucht sei, so der Autor, sei das Wissen selbst auch dahin, zumindest die Bestandteile davon, die nicht irgendwo noch in analog konsumierbarer Form vorhanden sind.
Das alles leuchtet ein und gibt zu heftigem Nachdenken Anlass. Die Gegenmittel, die Grüter vorschlägt, sind teils relativ realistisch – nämlich der Aufbau global verteilter Fertigungskapazitäten. Gegen den Ressourcenmangel empfiehlt er den Aufbruch in ferne Welten, da das Universum uns offen stünde. Schöne Aussicht, wäre da nicht die im Vergleich zu kosmischen Reisedistanzen doch recht begrenzte Lebensdauer des Homo Sapiens, die kaum je ausreichen dürfte, andere Sterne zu erreichen oder gar mit dem menschlichen Spezies zu bevölkern. Das wird wahrscheinlich schon mit unserem kosmischen Nachbarn Mars kaum in nennenswertem Umfang gelingen. Wir sollten derartige Kleine-Jungen-Träume durchaus in die Mottenkiste verbannen und uns lieber darauf besinnen, wie wir mit den vorhandenen Ressourcen sinnvoll umgehen, meint die Autorin dieser Rezension. Denn selbst wenn sich die Sonne in 500 Millionen Jahren aufblähen wird, hat die Menschheit hier noch rund 17 Millionen Menschen-Generationen zu je dreißig Jahren. Wäre doch schade, wenn wir – für IT oder sonstwas – so wenig pfleglich mit dem Planeten umgingen, dass davon nur ein Bruchteil tatsächlich stattfindet und dann wieder die Amöbe oder das Insekt die Regie übernimmt, nur weil wir den Hals nicht voll genug kriegen können. Ansonsten aber eine durchaus spannende Lektüre.

Bibliographie:
Thomas Grüter: Offline! Das unvermeidliche Ende des Internets und der Untergang der Informationsgesellschaft. Gebunden, 266 Seiten, Springer Spektrum, Berlin – Heidelberg 2013. ISBN 978-3-642-37736-5, 19,99 Euro

Von wegen Handy-Recycling bei der Telekom!

Heute im T-Shop, Neuhauser Straße, München: Mein Handy, ein Nokia, hat nach zehn Jahren den Geist aufgegeben, weshalb ich ein neues kaufen muss. Ich entscheide mich für eine Sparvariante des alten, weil ich mit meinem Telefon nur telefonieren will und sonst nichts (wg. NSA etc). Nun kommt der interessante Punkt: In allen Verlautbarungen weinen ja die Provider richtig dicke Krokodilstränen, weil die lahmen Anwender es ja nicht schaffen das Handy ins Geschäft zurückzubringen, wenn sie ein neues kaufen. Nicht so ich. Stolz vor Freude über meinen Beitrag zum allgemeinen Rohstoffwiedergewinnungsprogramm, wies ich auf mein Schrott-Handy, das nun, inzwischen herrenlos, auf dem Tresen lag. Doch der Verkäufer bedankte sich nicht etwa dafür, dass ich so brav mein Handy der Wiedergewinnung zur Verfügung stellte, statt es in der Schublade zu versenken. Weit gefehlt. Er guckte mich an, als wäre ich geisteskrank und wies mich dann darauf hin, dass ich das alte Handy doch bitte gern WIEDER MITNEHMEN dürfe. Und als ich ihn dann darüber aufklärte, dass ich der Meinung sei, ich hätte soeben einen großartigen Beitrag dazu geleistet, wertvolle Rohstoffe zurück in die Verwertungskette zu führen, und dass er respektive sein Unternehmen dieses Handy dem Recycling zuführen solle, sah er mich leicht pikiert an wie jemanden, der einem unerwünschte Arbeit macht.
Fazit: Tja, Telekom, die Leute in Deinen Shops sind wohl doch noch nicht so richtig darüber aufgeklärt, dass sie Handys zurücknehmen und rezyklieren sollen. Und eine Prämie scheinen sie fürs fleißige Rezyklieren auch nicht zu kriegen. Oder? Vielleicht wäre das Geld für die vielen Statements, in denen die großen Provider betonen, wie viel sie für das Recycling von Handys tun, viel besser investiert, wenn es für Personal-Trainingsprogramme über nachhaltige Informationsnutzung und Recycling und vernünftige Sammelbehälter ausgegeben würde. So einen findet man nämlich im T-Shop auch nicht. Komisch, was?

Kurzfilm: Konsequenzen der IT-Produktion für die Gesundheit der Arbeiter in den Fabriken

Der Neun-Minuten-Film „Who pays the Price“ auf Youtube zeigt, was vielen passiert, die in den Chip- und IT-Fabriken in China und anderswo ohne Gesundheitsschutz schuften. insbesondere geht es um spezifische Reinigungsmittel, die Leukämie und andere schwere Krankheiten auslösen und in Westeuropa oder Amerika wegen ihrer Gesundheitsfolgen längst verboten sind