Das Smart Grid dauert noch lange!

Einige Erkenntnisse aus Veranstaltungen, die ich in der letzten zeit besucht habe:

1. Smart Meter lohnen sich vor nur in Haushalten mit hohem Stromverbrauch. Sonst fressen sie wegen der Infrastruktur, die man für ihren Betrieb braucht, mehr als sie einsparen. Derzeit liegt die Grenze für den Pflicht-Einbau bei 6000 kWh, ein bisschen tiefer dürfte es schon sein, aber dass die alte Oma mit Hartz 4 von einem solchen Gerät irgendwas profitiert, darf getrost ausgeschlossen werden. (Quelle: IZT)

2. E-Cars bringen nur dann was für die Netzstabilisierung, wenn der Provider ihre Batterien laden und entladen darf. Abgesehen davon, dass die Infrastruktur das noch nicht hergibt, darf man getrost bezweifeln, dass die Anwender glücklich damit sind, wenn sie ihr Fahrzeug zur Unzeit mit einer leeren oder fast leeren Batterie vorfinden.(Quelle: OFFIS)

3. Das Smart Grid dauert wohl noch ein Weilchen – eine Studie der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften, deren erste Ergebnisse einigen Journalisten in Auszügen vorgestellt wurde, schlägt zunächst eine „Konzeptionsphase“ bis 2015 vor. Außerdem steht alles unter dem Finanzvorbehalt: Zerbröselt bis dahin der Euro, dürften dies wohl auch sämtliche Smart-Grid-Pläne wegen Geldmangels tun. Na, dann prost. Strom gespart wird in diesem Fall ja aus ganz anderen Gründen.

Zusammen mit den neuesten Daten des World Energy Outlook CO2-Ausstoß und Energieverbrauch so hoch wie nie) lässt das den Schluss zu, dass wir unsere CO2-Minderungsziele global wohl nicht erreichen werden, wenn keine gigantische wirtschaftliche Krise automatisch den Stromverbrauch drückt. Aber dann werden auch Smartgrids nicht gebaut (kein Geld), wobei man sich natürlich fragen muss, ob eine so komplexe Infrastruktur überhaupt zukunftsfähig sein kann.

Fazit: Weder Politik noch Wirtschaft scheinen bereit zu sein, im nötigen Umfang auf die Tube zu drücken und dem Anliegen die dringend erforderliche hohe Priorität einzuräumen. Bei der Bankenrettung werden Hunderte Milliarden mal eben in überhasteten Nachtsitzungen oder am Frühstückstisch verteilt, die Weltrettung dagegen ist nicht so dringend, das Schlimmste trifft ja wahrscheinlich nur die Kinder. Denn die Entscheider von heute sind jetzt so zwischen 40 und 50. Und hoffen wohl klammheimlich, dass es sie schon nicht beuteln wird, wenns schlimm kommt.

Smart Grid: Abhängig von Volkes Wille

Eine neue Studie des VDE (Smart Energy 2020) offenbart, wie viele Hindernisse es noch zu überwinden gilt, bis das allseits geforderte intelligente Energienetz Wirklichkeit werden kann.

Wenn Herr Müller nicht will, dann will er nicht. Und wenn viele Herr Müllers nicht wollen, dann wird es vielleicht nichts mit der smarten Energieinfrastruktur, die von der Politik allenthalben gefordert, in der Praxis von einigen Pilotversuchen abgesehen, aber noch hauptsächlich im Reich der Träume residiert.

Die Studie des VDE legt offen, welche elementaren Mängel an der derzeitigen Situation bestehen. Das fängt schon damit an, dass kein Haushalt und kein Hausbesitzer gezwungen werden kann, einen intelligenten Zähler bei sich installieren zu lassen, zum Beispiel weil er/sie Ausspähung fürchtet oder Umstand. Weiter sind die gesetzlichen Bestimmungen so schwammig formuliert, dass bei großzügiger Auslegung auch heutige Zähler ausreichen.

Außerdem fehlt es bislang an einem tragfähigen wirtschaftlichen Modell, das es für die Zuständigen – insbesondere die Netzbetreiber – sinnvoll machen würde, die Verbreitung solcher Zähler zu forcieren. Und unsere Gesetze sind mal wieder so kompliziert und mit so vielen unterschiedlichen Akteursrollen gespickt, dass sich wahrscheinlich immer ein Grund finden wird, warum gerade dieser oder jener für diese Aufgabe nicht zuständig ist.

Dazu kommen zig technische Kalamitäten, was eigentlich besonders den Erfindergeist der Kommunikationsindustrie und der Sicherheits- sowie Speicherfirmen anstacheln sollte: So fehlt es an zig Protokollen, die man braucht, um die zukünftig vielen Akteure und Steuervorgänge zuverlässig miteinander zu verbinden, so dass das gewünschte Finetuning des Netzes auch tatsächlich möglich wird. Außerdem ist man sich natürlich keinesfalls einig, wie die dazu nötigen hausnetze gestaltet werden sollen. Hier gibt es mehrere konkurrierende Entwürfe.

Außerdem dürften bei den geplanten viertelständlichen Auslesevorgänge aller Geräte in einer häuslichen Infrastruktur unglaubliche Datenmassen entstehen. Keiner weiß, wohin die Unmengen von Daten eigentlich wandern sollen, wo sie letztlich gespeichert werden und wer für die vermutlich nicht unerheblichen Kosten dieser Speicherung aufkommen wird.

Und schließlich gibt es jede Menge Sicherheitsbedenken, denn schließlich lassen sich mit Hilfe der Informationen darüber, wann Herd, Waschmaschine, Fernseher oder andere Verbraucher laufen, schon recht feinkörnige Profile erstellen. Das aber ist der typische Fall für den Datenschutz. Man erinnere sich an die jüngst erfolgte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung.

Werden diese Probleme nicht bald gelöst, dann bleibt wohl die Vorstellung eines intelligenten Energienetz das, was sie heute ist: Ein hehres Ziel an einem ziemlich fernen Horizont.
Das ist aber noch nicht alles.

Die vollständige Studie ist kostenpflichtig beim VDE erhältlich.

Summary:German Association of Electrical Engineers published a study that shows the many difficulties that have to be overcome to build a smart energy grid: There is no duty to allow the installation of a smart meter, communication protocols are missing, no one knows how much data would be generated (masses!) and where to store them without compromising data protection and data security of individual energy customers.

Kommentar:Mit der Diskussion über das Smart Grid steuert die Gesellschaft auf einen neuen Streit über die Reichweite individueller Freiheiten zu: Soll ein solches Netz entstehen, müssen die Einzelnen zumindest zum Einbau entsprechender Zähler verpflichtet werden. Soll man das Netz wie geplant feingranulär steuern können, sind die Freigabe bestimmter Daten und die Möglichkeit, auch auf die Endgeräte von Endanwendern zuzugreifen, einfach unumgänglich. Jedenfalls sieht es heute so aus. Wir steuern also auf eine neue, wahrscheinlich ziemlich unangenehme Debatte zu. Denn schließlich geht es beim Smart Grid darum, unseren Energiehunger so weit auszutarieren, dass er mit mehr regenerativer Energie und mehr steuernden Eingriffen den Abschied von Atom und Kohle ermöglicht. EIn hohes Ziel also, das es da gegen die weitgehende Entscheidungsfreiheit der Einzelnen abzuzwägen gilt – auch wenn die Kühltruhe dann nicht mehr Tag und Nacht laufen darf, so viel sie will.