Informationstechnik gilt als schnellebig. Wer sein Smartphone länger als ein Jahr benutzt, soll, so will es Vodafone, schon als Vintage-Anhänger gelten. Der Provider verspricht seinen Kunden jedes jahr ein neues. IT-Infrastrukturen werden vielerorts spätestens alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht. Derweil wachsen die Schrottberge.
Zwei Bücher nehmen nun das Thema „Kurzlebigkeit“ ganz generell aufs Korn. Da wäre zum einen die nunmehr zum Buch geronnene Anti-Murks-Aktion von Stefan Schridde, die mit der gleichnamigen Website begann und inzwischen diverse Weiterungen besitzt. Eine davon ist das Buch: „Murks? Nein danke! Was wir tun können, damit die Dinge besser werden“ enthält zunächst vielfältige Erklärungen dafür, warum viele Produkte sinnolserweise und systematisch für einen sehr schnellen Ausfall – am besten kurz nach Ablauf der Garantiezeit – konstruiert werden, die am Ende darauf hinauslaufen: Dinge gehen schnell kaputt, damit Leute schnell etwas Neues kaufen und dies wiederum, damit das eigene Unternehmen schneller mehr Umsatz erzielt.
Unter den aufgeführten konkreten Beispielen, dem größten Kapitel, finden sich leider viele aus dem Umfeld der Elektronik: Zu kleine Elektrolytkondensatoren in Monitoren, beispielsweise, zu dünne Kabel, zu schappe Akkus, Chips, die erkennen, wenn eine herstellerfremde Batterie in ein Smartphone eingebaut wird und sie schneller entleeren als die des Originalherstellers, unlösbar verklebte oder verklickte Gehäuse, die zerbrechen oder nicht wieder zugehen, wenn man sie öffnet. die Upgraderitis, bei der ein Upgrade nicht immer nur neue Funktionen bringt, sondern das Gerät durch Funktionsüberladung gleichzeitig immer langsamer macht, damit ein Neukauf unabweisbar erscheint, hochzerbrechliche, verklebte Touchscreens, deren Bruch eine sehr teure Reparatur oder gar einen Austausch nötig macht, proprietäre Schraubenformate und so weiter und so fort.
Kurz, es gibt viele Wege, ein Gerät schneller in Müll oder eine überteuerte Reparatur-Investitionsruine zu verwandeln als dies in den Augen der Nutzer sein müsste. Dagegen wendet sich Schridde und gibt mit der transportablen „Murkslupe“ auch praktische Hinweise für Endverbraucher darauf, wie man bei jedem Kauf versuchen kann, Murks erst gar nicht mit nach Hause zu nehmen.
Dabei belässt es Schridde aber nicht. Er schlägt deshalb politische Maßnahmen vor, etwa eine Garantieverlängerung auf fünf Jahre statt der derzeit üblichen zwei, die Ausdehnung von Garantie- und Gewährleistungsansprüchen auf übermäßigen Verschleiß durch schlechte Materialien oder Konstruktion und Sollbruchstellen, oder einen anderen Fokus in der Ausbildung von Konstrukteuren. Wer keine Lust mehr hat auf Elektronik, die in kürzester zeit ihren Geist aufgibt, auf Kaffeemaschinen mit eingebauter Weltzeituhr, bei denen die kaputte Weltzeituhr am Ende das Kaffeekochen blockiert, oder auf elektrische Zahnbürsten, die nicht mehr funktionieren, wenn der fest verbaute Akku sich erschöft hat, der findet hier Solidarität und Aktionsanleitungen – übrigens auch für nicht elektronische Produkte, denn Murks gibt es leider überall. Uneingeschränkt emfpehlenswert!
Erwas philosophischer geht das Thema Wolfgang M. Heckl, Physiker und Direktor des Deutschen Museums, an. Heckl beschäftigt sich mit dem Thema Reparieren: Was bedeutet es, an Kaputtem selbst Hand anzulegen und was, wenn die sogenannte Intelligenz von Produkten in Gestalt von beispielsweise Elektronikplatinen nach kurzer Zeit hinfällig macht, die früher Generationen oder Jahrzehnte hielten. Hackl beschreibt, wie sich derzeit eine neue Bewegung von Tüftlern etabliert, die sich wieder damit auseinandersetzt, wie das Innenleben von Produkten aussieht, um sie im Falle eines Falles wieder in Funktion zu setzen statt sich auf wolkige Garantieversprechen oder ausufernde Kostenvoranschläge von Herstellern zu verlassen, die die Reparatur als lohnendes Geschäftsfeld erkannt haben. Wer etwas über Repaircafés unterschiedlicher Art, Maker-Labs, Online-Plattformen für Elektronik-Reparatur, Gemeinschaftswerkstätten etc. erfahren möchte und gleichzeitig etwas darüber, was solchen Initiativen derzeit noch das Leben schwermacht (keine öffentlich zugänglichen Bauanleitungen für vieles, nicht reparierbare Designs, proprietäre Komponenten etc), kann hier nachlesen und findet viele sinnvolle Alltagstipps.
Auch Heckl lässt es übrigens nicht beim Praktischen, sondern sieht das Reparieren in einem weiteren Kontext, nämlich dem allmählichen Abschied vom Wirtschaftswachstum als allbeherrschenden Paradigma. Dass solche Gedanken von dem Vertreter einer so elaborierten Organisation wie dem Deutschen Museum ausgesprochen werden, zeigt, dass Wachstumskritik und die ernsthafte, tastende Suche nach Alternativen heute kein Privileg irgendwelcher exotischen Spinner mehr ist, sondern eine sich langsam durchsetzende breite Einsicht. Links zu den themen finden sich übrigens auch auf diesem Blog (Reparieren statt Wegwerfen).
Bibliographie:
Wolfgang M. Heckl: Die Kultur der Reparatur, gebunden, 202 Seiten, Hanser-Verlag München 2014. ISBN 9-978-3-446, 17,90
Stefan Schridde: Murks? Nein danke! Was wir tun können, damit die Dinge besser werden. Gebunden, 256 Seiten mit QR-Codes zum Weiterlesen, Oekom-Verlag, München 2014, ISBN 9-83865-816719, 19,95