Hier und da leuchtet einmal ein neues Weltverständnis auf, das die Infosphäre in den philosophisch-politischen Diskurs einbettet, das ist allerdings noch sehr selten der Fall. Zwei Schritte in diese Richtung sollen hier vorgestellt werden.
Einen hat Luciano Floridi unternommen. Floridi lehrt in Oxford Philosophie und Ethik der Information und ist Forschungsdirektor des Oxford Internet Institute, gehört also zu den Menschen, die tatsächlich Philosophie und Informationstechnik oder Internet in ihrem Wissen und Denken profund verbinden. Floridi begreift die allgegenwärtige Digitalisierung als echte Kulturrevolution, in dem Sinn, dass sie Denkstrukturen, Vorstellungsvermögen und Handeln der gesamten Menschheit tiefgreifend verändert. Floridi sieht dies als Chance, benennt aber auch Risiken, beispielsweise durch den hohen Energie- und Materialverbrauch informationstechnischer Systeme, deren neuartige Fähigkeit er darin sieht, dass sie Informationen nicht nur aufzeichnen oder darstellen, sondern auf neuartige Weise vernetzen und verarbeiten können. In zehn Kapiteln beschäftigt sich Floridi mit zehn Dimensionen und der Auswirkung der Infosphäre auf sie: Zeit, Raum, Identität, Selbstverständnis, Privatsphäre, Intelligenz, Handeln, Politik, Umwelt und Ethik. Wer eine anspruchsvolle Anregung dafür sucht, den Platz in der Infosphäre in der Welt zu verstehen, ist bei Floridi richtig. Ganz am Ende plädiert der Wissenschaftler dafür, die Infosphäre als einen „gemeinsamen geteilten Raum“, sprich: als Commons, zu betrachten, „die zum Nutzen aller erhalten werden muss“.
Ein zweiter Versuch, in Richtung einer soziologisch-politisch-philosophischen Durchdringung der Informationssphäre voranzuschreiten, ist eine neue internationale wissenschaftliche Zeitschrift, Digital Culture and Society, deren erste Ausgabe jetzt erscheint. Herausgeber der ersten Nummer sind Ramón Reichert und Annika Richterich, beides Wissenschaftler, die sich im universitären Umfeld mit dem Thema Digitalisierung und Gesellschaft befassen. In der ersten Ausgabe geht es um die Beeinflussung der materiellen Welt durch die digitale und umgekehrt sowie darum, welche Materialität die digitale Welt selbst besitzt. Darin finden sich Aufsätze zu einer neuen Techno-Ökologie, Analysen der Vorformatierung der Wahrnehmung digitaler Inhalte durch den verbreiteten ASCII-Code und den Touchscreen, eine Theorie vernetzter Städte, Reflektionen zu Software und Sprachwissenschaft, intelligenten Sensoren, die Beeinflussung menschlicher Handlungsmöglichkeiten durch digitale Technologie etc. Zwei ausführliche Interviews runden den Band ab. Allgemeinverständliches darf man nicht erwarten, Leser sollten wenigstens ab und zu soziologische oder philosophische Texte konsumieren, sonst dürften sie sich von der Komplexität der sprachlichen Darstellung, die die Kenntnis des Begriffsapparats der Disziplinen mehr oder weniger voraussetzt, überfordert fühlen. Jedem Text ist eine etwa halbseitige Zusammenfassung vorangestellt, wie in wissenschafltichen Publikationen üblich, folgt am Ende der Texte ein ausführliches Literaturverzeichnis. Die Zeitschrift erscheint in Englisch zweimal im Jahr, es gibt eine digitale und eine Print-Ausgabe.
Bibliographie: Luciano Floridi: Die 4. Revolution. Wie die Infosphäre unser Leben verändert. Gebunden, 318 Seiten, Suhrkamp-Verlag Frankfurt 2015. ISBN 978-3-518-58679-2, 29,95 Euro.
Ram´n Reichert, Annika Richterich (Hrsg.) Digital Meterial/ism. Volume 1, 2015, issue 1 der Zeitschrift Digital Culture Society, broschiert, 237 Seiten, Transcript-Verlag, Bielefeld, 2015. Print: ISBN 978-3-8376-3153-1/PDF-ISBN 978-3-8394-3153-5, 55 Euro/Jahr (2 Ausgaben) Bundle (Print und PDF: 60 Euro/Jahr.